live changes … everyday

Dienstag, den 31. Juli 2007

Heute morgen höre ich die anderen aufstehen, bleibe aber noch liegen bis um viertel nach acht.
Dann gibt es wieder die übliche Morgenration Internet, erst später zwei Toasts zum Frühstück – und zwei von diesen leckeren selbstgebackenen Keksen. Was auch immer in ihnen sein mag und wie gesund es auch immer sein mag (Vielleicht ist ja Pepsi darin? Kleiner Scherz am Rande.), schmecken tun sie.
Jol kränkelt noch immer und liegt im Bett. Das Telefon klingelt einige Male, keiner von uns geht ran. Der Hund bellt und als ich ihn hinte rauslasse, läuft er in den Vorgarten und bellt ein Auto auf der Straße an. Ich rufe ihn durch die Vordertür wieder hinein und gehe zurück an den Laptop.

Einige Zeit später klingelt es an der Tür und ich gehe hin. Ein freundlicher Mann steht dort und wie ich nach kurzer Nachfrage verstehe, ist er wegen des Telefons hier. Er habe irgendetwas daran repariert und würde jetzt noch einen Test durchführen. Mmh, schön. Ich setze mich wieder an den Computer. Dann klingelt das Telefon erneut, ein Anruf von einem Handy. Diesmal gehe ich ran und es ist der Telefonmensch. Er wolle nur kurz testen, ob es auch wirklich geht und würde noch einen Zettel im Briefkasten hinterlassen.

Ich sehe nach der Post im Briefkasten. Und zum ersten Mal ist etwas für mich dabei: Meine neue SIM-Karte steckt in einem ExpressPOST-Umschlag. Ich nehme sie mit rein, packe sie aus. Auf meinem derzeitigen Konto sind allerdings noch gut zwei Dollar, die ich ungern verschenken möchte und deshalb wird die Aktivierungsprozedur wohl noch ein wenig warten müssen.

Dann nehme ich mir etwas Zeit, um einige Tagesberichte, die nur als Sprachnotizen und Erinnerungen in meinem Kopf existieren, in eine allgemein lesbare Form zu überführen.

Jol geistert durch das Haus, isst etwas und schiebt eines der Sofas zum Computer, um dann Musik zu lauschen. Rush kommt gegen halb vier nach Hause. Als sie die „Big Brother“-Aufzeichnung von gestern anguckt, realisiere ich, dass das das letzte Mal für eine lange Zeit sein wird. Denn gestern hat Alisha die aktuelle Staffel gewonnen – mit 51 Prozent der Stimmen.

Ich setze mich noch einmal für einen Moment an den Computer, schließlich beginnt in Deutschland langsam der Tag. Und erfahre, dass es andere Austauschschüler gibt, die nicht nur mit ihrem Biologiekurs an den Strand fahren, sondern auch mit dem Sportkurs ins Fittnisscenter und mit dem Entertainmentkurs ins Theater (ja, dich meine ich!). Allerdings – gar keine Schule ist natürlich auch eine interessante Alternative. Und ich muss meine Erinnerungen nicht im school diary (auch student planner genannt) aufschreiben, sondern kann sie direkt am Laptop verfassen.

Als Charlotte nach Hause kommt, erzählt sie mir, dass die Familie, bei denen wir gestern waren, mich gerne aufnehmen würde. Sie könnten aber nicht, wenn der Armbruch des Vaters ausgeheilt ist, werden sie einen Großteil der Woche in einem anderen Ort verbringen und das sei nicht die Art von Familienleben, die sie einem Austauschschüler gerne präsentieren würden.
Charlotte will mich deshalb bei Bekannten in Echuca unterbringen, bei einer Familie, die sie schon kennt, seit Kim klein war. Und Kim ist jetzt 21. Wir haben nämlich nicht mehr viel Zeit, in zwei Wochen gehts für die Familie in den Urlaub. Und weil es einige Zeit dauert, den Papierkram zu erledigen, der notwendig ist, um eine Familie zu einer Gastfamilie bei SCCE zu machen, möchte sie auch nicht mehr abwarten, bis am Donnerstag ein Aufruf in einem der Schulrundbriefe erscheint.

Grant kommt nach Hause und ich helfe ihm, das Abendessen vorzubereiten, indem ich einiges Gemüse in Scheibchenform überführe. Es gibt Nudeln und Hühnchen – mit eben diesem Gemüse.

Beim Abendessen frage ich Charlotte, ob es uns helfen würde, mehr Zeit zu haben. Und ob es helfen würde, wenn ich zunächst einige Wochen bei Jerren wohnen würde, während sie im Urlaub ist und wir eine neue Familie suchen. Das Problem sei, so Charlotte, dass ich bereits die Familie gewechselt habe und SCCE es nicht gern sähe, wenn ich in den nächsten fünf Monaten – also bis Dezember – erneut die Familie wechselte.
Ich rufe Jerren an und schildere ihm die Lage. Er sagt, sie hätten bereits darüber nachgedacht, mich aufzunehmen. Allerdings ginge das nur so lange, wie die älteste Tochter außer Hause verweilt – zum Studieren in Melbourne. Also bis November.
Ich spreche mit Charlotte und sie sagt, das sei schon in Ordnung. Wenn ich einmal bei Jerren wohnen und in der Schule wäre, würde ich Leute kennenlernen, die mich von Dezember bis April aufnehmen könnten. Und ich denke darüber nach, dass das eigentlich eine ganz gute Sache ist: Ich habe bislang für zwei Wochen das Leben auf einer Farm kennengelernt, drei Wochen werde ich bei Charlotte verbracht haben, dann einige Monate bei Jerren und einige in einer ganz anderen Familie. Das ist ungefähr das Prinzip, dass auch Rotary verfolgt und es gefällt mir, sehe ich so doch einen recht schönen Durchschnitt durch die australischen Familien in dieser Gegend.

Charlotte ruft Jerren an und spricht einige Minuten mit ihm. Dann fragt sie mich, ob ich nicht auf einen drive mitkommen wollte – ich frage: „Where to?“ und sie meint, zu Jerren. Natürlich will ich das und wir fahren dorthin. Berenice macht die Tür auf und lässt uns hinein. Ich ziehe, schon aus Gewohnheit, meine Schuhe an der Tür aus und wandele auf Socken ins Wohnzimmer.
Charlotte hat den Gastfamilien-Interviewbogen mit und auch den Fragebogen für Gastfamilien. Sie erklärt Jerren und Berenice den grundlegenden Ablauf und beantwortet ihre offenen Fragen. Cathleen spielt auf der anderen Seite der Küche einige Takte auf der Gitarre und winkt herüber.
Die beiden werden den Fragebogen heute Abend ausfüllen und morgen an Carmel, die Koordinatorin für Victoria, faxen. Auf dem Weg zur Haustür stellt Berenice noch Cathleen und Clarice vor. Charlotte fragt die beiden, ob sie auch wollten, dass ich zur Famile gehöre – sie bejahen. Und Berenice erzählt, dass die größte im Bunde gesagt habe, ich müsse umbedingt.
Ich fahre mit einem ausgesprochen guten Gefühl nach Hause. Mit einem Gefühl, in ein Haus, das schon mein zu Hause ist, bald jeden Tag einkehren zu dürfen. Und ich erzähle Charlotte, dass ich es meinem Hund verdanke, diese Gastfamilie gefunden zu haben. Denn ohne meinen Hund hätte ich niemals den Amateurfunker kennengelernt, der mir das Hobby nahegebracht hat und ohne das Hobby würde ich Jerren nicht kennen.

Wieder angekommen fülle ich mit Charlotte gemeinsam den Interviewbogen aus. Auch er wird morgen seinen Weg in das Büro von SCCE in Melbourne finden.
Morgen wird hoffentlich mein Handy ankommen. Ich frage Charlotte, wann die Post kommt und sie meint, montags und dienstags sei sie üblicherweise spät (also so gegen 14 Uhr) da, mittwochs zwischen 11 und 14 Uhr, donnerstags und freitags meist früh gegen elf Uhr.
Dann schaue ich noch einmal in mein E-Mail-Postfach und informiere meinen Vater über die aktuellen Ereignisse, während im Fernsehen NCIS läuft. Danach kommt Numb3rs – und danach mein Bett.

Regen

Donnerstag, den 26. Juli 2007

Das erste, was ich heute Morgen bemerke, ist Regen und dieses vertraute, beruhigende Gefühl von Regentropfen, die auf das Hausdach prasseln und vor allem die Gewissheit, nicht nach draußen gehen zu müssen, um Kälber zu füttern.
Ich stehe kurz nach halb zehn auf, esse zwei Toasts zum Frühstück. Eines mit Butter und Salz (die Margarine light ist nämlich ungesalzen), das andere mit Honig, der irgendwie merkwürdig schmeckt. Die Konsistenz stimmt, die Süße auch, schlecht ist er ebenfalls nicht, soweit ich das beurteilen kann, vielleicht ist es einfach eine komische Sorte. Das Etikett verrät mir das nicht, da stferneht nur „Honey“ und – anscheinend ganz wichtig – „Pure“. Haben die hier auch Honig, der nicht „Pure“ ist?

Das Fernsehprogramm gibt nicht viel her, deshalb lege ich mich aufs Sofa und lese weiter in „Tomorrow, When the War Began“. Nur Charlotte ist zu Hause, ich sehe sie nur einmal kurz, als das Telefon klingelt, dann entschwindet sie wieder. Aus dem Schlafzimmer erklingt noch immer die Stimme der selben Sprecherin des selben Hörbuches, die auf die Entfernung jegliche Melodie verliert und zu einem monotonen Einheitsgemurmel wird.

Um kurz nach elf kommt Charlotte wieder ins Wohnzimmer, ohrenscheinlich ist das Hörbuch zu Ende. Sie macht sich etwas zu Essen und regt an, dass wir ja mal in der Bücherei nach Schulbüchern gucken könnten. Und fragt, ob ich mir vielleicht ein paar Filme ausleihen wollte. Ich verneine und erzähle ihr, dass ich noch Filme auf einer meiner externen Festplatten hätte.
Charlotte entschwindet wieder in Richtung Schlafzimmer, biegt aber in Jols Zimmer ab und kommt dann zurück. Mit meinem Laptop! Ich bin ein wenig überrascht, sagt mir doch mein Countdown auf dem Palm, dass es noch 15 Tage und knapp acht Stunden sind, bis die drei Wochen um sind. Vielleicht ist das ja Hafterleichterung wegen guter Führung – oder einfach eine Stauchung der Zeitachse in Anbetracht des mehr und mehr abzusehenden Umzuges. Wenn ich tagsüber so herumsäße, dürfe ich den Laptop benutzen, abends, wenn die Kinder da sind, möge sie das nicht.
Ich lade die Fotos von meiner Kamera auf den Computer und füge einige Blogeinträge von Laptop und PDA zusammen. Dann speichere ich alles, was für meinen Blog bestimmt ist, auf meinem MP3-Player, um es später von einem anderen Computer aus hochzuladen.
Als alles erledigt ist, was man an einem Laptop ohne wirkliches Anliegen und vor allem ohne Internet so erledigen kann, gucke ich einen Film: „Nur ein kleines bisschen schwanger“, vor ein paar Wochen von mir aus dem Fernsehen aufgenommen.

Später zeigt mir Charlotte auf einer großen Karte, wo ihr Elternhaus steht: In der Nähe eines Ortes namens Balranald, direkt dortm wo sich der Sturt Hwy mit einer anderen Straße schneidet.
Als Charlotte später telefoniert, realisiere ich zum ersten Mal, dass die Jill, die ich in Australien kennengelernt habe, die selbe ist wie die, mit der ich vorher telefoniert habe und bin innerlich ein wenig erstaunt darüber. Diese Querverbindung war bislang einfach nicht aufgekommen.
Als Charlotte dann noch einmal außer Haus muss, suche ich noch andere Orte auf der Karte, um ein wenig Orientierung zu bekommen (Und ja, Goonellabah gehört auch dazu). Danach sitze ich noch ein wenig am Computer. So langsam trudeln dann auch die anderen Familienmitglieder ein, zuerst Rush und Jol, später auch Grant.
Als Charlotte wiederkommt, fahren wir einkaufen. Erst zu ALDI, wo ich mir ein wenig Süßes (oder vielmehr Salziges) gönne und feststelle, dass hier in Australien sowohl Pommes Frites als auch Kartoffelchips beide chips heißen. Dann noch zu IGA, wo Charlotte all das kauft, was sie noch nicht gefunden hat. Und wo sie ein halbes Dutzend Leute (darunter die Kassiererin!) anspricht, ob sie mich nicht aufnehmen wollten oder jemanden kennen würden… Komisches Gefühl, danebenzustehen.

Abends lese ich weiter in meinem Buch (was im Fernsehen läuft, brauche ich wohl nicht weiter zu erwähnen, oder?). Und ich drehe mit Grant eine Runde mit dem Hund. Und dann gehe ich ins Bett.

mashies

Montag, den 23. Juli 2007

Früh aufstehen ist immer relativ. Heute ist zwanzig nach sieben früh. Ich esse Haferflocken mit Milch und Honig zum Frühstück, Charlotte macht die Schulbrote für die Mädchen fertig und auch eines für mich. Mit Avocado.
Um acht Uhr fahren wir zu Kim, Kate und den „boys“. Kate macht die Tür auf, gerade irgendwo zwischen Bett, Bad und breakfest. Den Vormittag verbringe ich mit dem Lesen der ersten 15 Seiten von „Tomorrow – When the War Began“ von John Marsden und dann, als alle den Weg aus dem Bett gefunden haben, zusammen mit den anderen vorm Fernseher. Das Fernsehen geht zwar noch nicht, aber wir haben eine Menge DVDs im Haus. Kim hingegen scheint nicht da zu sein.
Wir gucken ‚Flush Away‚, einen Animationsfilm. Interessante Story, ein bisschen an ‚Findet Nemo‘ erinnernd. Gute Musik, ganz akzeptable Story und Dialoge. Wenn man das in einem Animationsfilm, dessen Hauptdarsteller Mäuse und Ratten sind, überhaupt so nennen kann. Später folgt dann der Anfang von Staffel 1 von Gilmore Girls. Interessante Stimmen, wie ich wieder einmal bemerke. Aber die Synchronstimmen haben es mir ein bisschen mehr angetan. Vielleicht ja, weil ich sie voll und ganz verstehen kann.
Als mit der Zeit alle etwas hungrig werden und auch mein Lunchpaket – inklusive der Apfelsine und des Müsliriegels -, machen wir uns auf, etwas essbares zu finden. Bei McDonalds. $2,00 für einen Cheeseburger (ungefähr 1,25 Euro, die könnten ruhig mal etwas vergleichbares zu den 1-Euro-Burgern einführen). Und bei KFC. Ich habe noch nie zuvor mashies gegessen, aber sie schmecken gut, ein bisschen wie Kroketten, nur anders gewürzt.
Die boys versuchen Feuer im Garten zu machen, während wir essen. Dann guckt Kate weiter Girlmore Girls, einer der boys und ich folgen ihr.
Als wir ans Ende der zweiten DVD kommen und die anderen beiden wieder aufgewacht sind, wechseln wir zu ‚American Dad!‚.
Charlotte holt mich nach der Arbeit ab und gerade als wir fahren, kommt uns Kim im Auto entgegen.
Morgen wird mich Charlotte zur Arbeit mitnehmen, ich könne unterwegs gut Landschaftsfotos machen. Mir ist noch noch nicht ganz klar, wie das zu ihrer Arbeit in einer Bibliothek passt.
Als wir nach Hause kommen, guckt Rush gerade Fernsehen, Jol ist in ihrem Zimmer und liest Harry Potter. Zum Abendessen gibt es Hühnchen (jetzt schon das zweite Mal heute!), Kartoffelbrei und Gemüse. Während alldessen läuft der Fernseher und zumindest Rush guckt, auf der Couch sitzend, während des Essens zu.
Danach machen Grant und Charlotte ihre eigenen Chips – so ähnlich wie Tortillias. Schmecken gar nicht mal so schlecht. Und im Fernsehen kommt Big Brother. Jerren klingelt mich an, aber ich bin nicht schnell genug in meinem Zimmer, um das Gespräch anzunehmen. Ich werde ihm morgen SMSen – oder, wie es hier heißen müsste, texten -, denn ich habe heute von meinem 1-ct-pro-SMS-zu-Telstra-Angebot zu einem anderen gewechselt, dass mir erlaubt, für einen Dollar bis zu 20 SMS zu verschicken, was übrig bleibt, verfällt aber jeden Tag. Vielleicht wechsele ich aber auch zu einem anderen Provider, wir werden sehen. Jerren wird da wohl ein bisschen Ahnung von haben.
Gegen halb neun gehe ich ins Bett, zum ersten Mal in einem so warmen Raum, dass ich für einen Moment die Bettdecke zur Seite schlage – und das, obwohl ich vorhin gelüftet habe.

Nichtstun

Sonntag, den 22. Juli 2007

Sonntagmorgen. Ausschlafen. Und heute ist ein Freizeittag. Rush und Jol sind heute in der Schule, um Vorbereitungen für die Aufführung zu treffen.
Zum Frühstück gibt es für mich Toast mit Erdnussbutter. Zwar crunchy, aber dennoch ein wenig komisch. Die Erdnüsse wirken mehr gemahlen denn geschreddert. Und Milch, ganz wichtig.
Vormittags nehme ich mir erst ein Buch, dann eine Dusche. Interessante Sache, diese Dusche: Damit man das 3-Minuten-Limit nicht vergisst, ist in der Dusche eine wasserdichte Stoppuhr, die man auf drei Minuten einstellen kann. Und ich nehme mit Freude wahr, dass das Wasser auch in der Dusche sofort warm wird. Mir ist noch nie so bewusst geworden, wie ergiebig eine kleine Menge Shampoo auch ohne viel Wasser sein kann…
Die Dusche ist höher als die auf der Farm, ich kann nicht darüber gucken. Nur das Bad ist ein wenig kalt, kein Strahler sorgt für Wärme. Aber daran werde ich mich wohl gewöhnen müssen.
Später kriege ich einen Heizlüfter in mein Zimmer, damit es endlich ein bisschen wärmer wird. Sehr feine Sache, wobei auch die Gasheizung an der Wand im Wohnzimmer nicht zu verachten ist.

Nachmittags habe ich zum ersten Mal Internetzugang außerhalb der Schule (von Jills Eltern einmal abgesehen). Ich gucke, was meine Konten so machen und wie der Umrechnungskurs zum Australischen Dollar ist, wenn ich mit der Kreditkarte bezahle.
Und ich krame mein Funkgerät hervor und kann zum ersten Mal die APRS-Bake des Funkamateurs hier in Shepparton empfangen.

Abends ist wieder Big Brother angesagt. Und ein Spinat-Käse-Auflauf, der ein wenig eigenwillig schmeckt. Aber ich esse ihn. Danach begleite ich Grant mit dem Hund. Wir laufen in Richtung der Schule und sehen das Footballspielfeld.

ein langer Tag

Freitag, den 20. Juli 2007

Ich wache um zehn nach vier auf, aber schlafe wieder ein. Dann wache ich erneut auf, mein Wecker hat immer noch nicht geklingelt. Ich denke, dass es nun aber bald mal soweit sein müsste und just in diesem Moment lässt mich der schrille Piepton hochschrecken. Es ist fünf vor sechs und ich habe gleich einen Gesprächstermin mit meinem Vater. Ich stehe auf, gehe kurz ins Bad und schließe dann die Tür zur Küche, um Jill gegebenenfalls nicht zu wecken, ich bin mir nicht ganz sicher, ob sie im Haus ist. Ich mache das Licht an und klingele meinen Vater an. Er ruft zurück (Hilfe, ist das laut, wenn es ruhig ist!), aber die Verbindung dauert nur fünf Minuten, weil bei Peter im Moment ein hoher Andrang herrscht. Verständlich um diese Zeit, Amerika und Australien passen im Moment beide zur deutschen Zeit.
Ich schildere die Situation zu dem Zeitpunkt, als ich gestern mit ihm telefoniert habe, und vor allem auch, was danach passierte. Wir erörtern die Situation und weitere Vorgehensweise. Ich werde noch mit der Beratungslehrerin an der Schule sprechen, schließlich brauche ich auch deren Unterstützung bei einem etwaigen Gastfamilienwechsel.

Dann gehe ich noch ein wenig in mein Zimmer. Als ich frühstücken gehe, ist Stuart drinnen. Er fragt mich, ob ich mit meinem Vater telefoniert hätte. Ich sage ihm, dass ich das schon gestern nach der Schule abgemacht hätte.
Der Schulbus ist pünktlich (zumindest soweit ich das ohne Uhr abschätzen kann), aber Samira steht auch heute nicht an der Straße. Vor der Schule gehe ich, als das allmorgendliche staff briefing im Lehrerzimmer abgeschlossen ist, zu meiner program manager in an der Schule und erzähle ihr, dass ich womöglich meine Gastfamilie wechseln werde. Sie fragt nach, warum und ich erzähle ihr meine Geschichte, während es zur Homegroup und dann zur Stunde klingelt. Sie sagt, sie würde Charlotte anrufen und einmal mit ihr sprechen. Während einer Übergangsphase könne ich auch bei ihre wohnen, sie habe schon Schüler über SCCE gehabt und ihre Kinder seien gerade alle außer Haus, zum Teil wie ich im Ausland.

Der Unterricht gestaltet sich genau so angenehm wie zuvor, abgesehen von dem komischen Gefühl, dass mich den ganzen Tag begleitet, und widerspiegelt, dass ich nicht weiß, wohin mich mein Weg führen wird und auch nur wenig Einfluss darauf habe. Dass ich zur ersten Stunde zu spät komme, scheint mein Mathelehrer nicht sonderlich schlimm zu finden. Er sagt nichts – wobei das auch daran liegen kann, dass wir uns zu dem Zeitpunkt nicht im Frontalunterricht befinden. Heute gibt es nur eine Stunde Mathe für mich, die zweite habe ich Physik in einer angenehm kleinen Lerngruppe von nur gut zehn Schülern. Der Lehrer – der, als er sich mir vor der Stunde vorstellte, ganz selbstverständlich meinte, ich könne ihn gerne auch Michael nennen – bringt uns nahe, wie wissenschaftliches Denken in Modellen funktioniert.
Dann folgen zwei Stunden Business Management. Es geht um Kommunikation – heya! Das ist doch mal praxisnaher Unterricht. In der zweiten Stunde sind wir in der Bibliothek, um einigen Fragen – oder vielmehr deren Antworten – auf die Schliche zu kommen. Ich nutze die Zeit am Computer allerdings anderweitig.
Dann folgt die große Pause (die eine Stunde werde ich in Deutschland wohl echt vermissen) und auch ich begebe mich nach einigen Minuten aus der Bibliothek nach draußen. Kein mir bekanntes Gesicht ist zu sehen, aber zwei Mädchen, die ich gestern schon einmal gesehen habe, fragen mich, ob ich mit herüber kommen möchte und dort sitzen sie alle: Austauschschüler und Anhang (oder andersherum). Irgendjemand treibt einen Football auf und nachdem ich mich anfänglich sträube, versuche ich dann doch einmal, ihn zu kicken. Gar keine so einfache Sache, aber ich bin ja nicht der einzige Anfänger, auch die zwei anderen Australienneulinge versuchen sich daran. Es ist auf jeden Fall faszinierend, dass ein einfacher Football eine Gruppe von 15 Schülern mit einem relativ kleinen Platzbedarf eine ganze Zeit lang beschäftigen kann – und das auch noch Spaß macht. Hat irgendwie etwas, wenn der Ball zu einem kommt und man ihm nicht hinterher rennen muss. Und erinnert mich ein wenig an die Ballspiele der Oberstufler in meiner Schule in den Pausen.
Nach der Pause bin ich überpünktlich am Raum für den Englischunterricht. Er ist zu (was aber nicht verwunderlich ist, da die Räume das meist sind) und abgedunkelt, aber dann kann ich plötzlich den Sound von Windows XP hören, der erklingt, wenn man sich einloggt. Ich klopfe ein und mir wird geöffnet. Meine Englischlehrerin scheint zwischenzeitlich ihr Gespräch mit Charlotte geführt zu haben. Sie teilt mir mit, dass sie eine Nachricht für mich habe: Wenn ich nach Hause käme, müsse ich wieder packen. Charlotte würde mich diesen Nachmittag mitnehmen. Ich setze mich in die erste Reihe auf den gleichen Platz wie gestern auch. An die freie Sitzwahl in jeder Stunde habe ich mich noch nicht so ganz gewöhnt. Als die anderen Schüler eintreffen (zwei Mädchen setzen sich noch einmal zu mir nach vorne um und wir halten ein wenig Smalltalk), gucken wir nach einigen Anlaufschwierigkeiten mit dem Beamer wieder Gattaca. Die bekannte Geschichte zieht nur so an mir vorbei, ich lasse mich mehr oder weniger berieseln.
Als letztes Fach an diesem Tag winkt foods. Auf dem Weg dorthin erzähle ich der Austauschschülerin aus Brasilien, dass ich vielleicht die Schule wechseln würde und was gestern passiert ist. Sie zeigt sich ein wenig erschüttert darüber und bittet um meine E-Mail-Adresse für den Fall, dass heute mein letzter Tag an dieser Schule ist. Heute ist eine Theoriestunde und wir besprechen hauptsächlich, was man alles wissen muss, um für seine Familie die Mahlzeiten für die kommende Woche zu planen. Interessant, dass man sowas als Unterricht verkaufen kann. Aber es gibt sogar ein Lehrbuch und mit schon fast naturwissenschaftlicher Präzision werden dort Dinge vermittelt wie ein Praxistest, der belegen soll, dass Silikonprodukte bessere Resultate beim Kochen hervorbringen als ihre Vorgänger.

Im Bus nach Hause sitzt Samira wiederum. Wir reden ein wenig – über die Sitzbank hinweg, weil sich jemand anders neben mich gesetzt hat. Als sie aussteigt, sagt sie zu mir: „Bis Montag“ und ich denke nur „vielleicht“. Sie wird von ihrer Familie an der Haltestelle abgeholt: Ich kann Vater, Mutter und Gastbruder durch die Autofenster sehen.

Als ich auf die Farm komme, trinke ich etwas, Hunger habe ich nicht (Und ich kann jetzt auch nachvollziehen, warum Hanna in der Schule sagte, dass Jungen während ihres Aufenthalts üblicherweise eher abnehmen). Dann mache ich mich daran, meine Sachen zusammenzusuchen. Viel verteilt habe ich nicht, alles ist auf mein Zimmer konzentriert, selbst Zahnbürste und Zahnpasta habe ich jeden Tag wieder in die Kulturtasche zurückgeräumt. So, als wäre es ganz selbstverständlich, dass ich die Sachen bald wieder zusammensuchen müsste.
Stuart kommt herein und fragt mich, ob ich mit einem der Lehrer über die Probleme gesprochen habe. Er habe nämlich einen Anruf aus der Schule erhalten. Ich verneine – meine Ansprechpartnerin an der Schule ist zwar auch meine Englischlehrerin, aber ich habe nicht als diese mit ihr gesprochen, sondern mit ihr als program managerin. Stuart meint ein wenig zynisch, dass das dann wohl jemand anders gewesen sein müsse.

Kurze Zeit später ist alles fertig gepackt, nur die Farmkleidung ist noch im Schrank. Ich brauche ein wenig mehr Platz als auf der Reise von Deutschland, das liegt aber daran, dass ich alles nur mehr oder weniger ordentlich in den Koffer verfrachtet habe. Ich setze mich in die Küche und warte auf Charlotte.

Jill kommt von der Arbeit und setzt sich zu mir. Sie fragt, ob ich die Gastgeschenke für meine nächste Familie mitnehmen wollen würde. Ich verneine – schließlich sind es Geschenke und mein Anstand sagt mir, dass sie hier bleiben sollen.
Dann erzählt sie mir, was sie schon viel früher hätte erzählen sollen: Was sie an mir stört. Und ich finde es verwunderlich, dass es sie stört, wenn ich, mit dem Essen fertig, während sie Zeitung liest und Stuart die Post bearbeitet, für einige Sekunden meinen PDA zücke und eine handschriftliche Notiz mache. Oder, dass es sie stört, wenn ich in meinem Zimmer sitze, wo sie und Stuart diejenigen sind, die nahezu den ganzen Tag arbeiten und damit nicht einmal greifbar sind. Und auch ein anderes Missverständnis kommt heraus: Mit „We don’t mind you using the phone.“ meinte Jill nicht, dass ich mit meiner CallingCard telefonieren kann, wenn das notwendig ist. Sondern dass ich, wenn ich von der Schule komme und einen Gesprächstermin mit meinem Vater abmachen möchte, bitte doch vorher extra deshalb nach draußen zu Stuart gehen solle, um ihn zu fragen.
Eigene Fehler räumt sie dabei nicht wirklich ein. Sie sagt zwar, dass es wohl auch möglich sei, dass die beiden welche gemacht hätten, aber sie hätten schließlich schon so viele Austauschschüler gehabt – auch erfolgreiche -, dass sie das für eher unwahrscheinlich hält. Dann muss sie nach draußen zu Stuart.
Ja ja, das ist alles so eine Sache mit der Kommunikation. Manchmal klappt sie und manchmal nicht. Hier wohl eher nicht.

Um viertel nach fünf fährt Charlotte auf den Hof. Ich sehe sie aus dem Küchenfenster zu mir herüberwinken und fragen, ob Jill und Stuart auf dem Hof seien. Ich bejahe und setze mich wieder hin.

Nach einiger Zeit kommt sie ins Haus. Es ist das erste Mal, dass wir uns sehen, bisher haben wir nur E-Mails geschrieben und telefoniert. Wir holen meine Sachen aus dem Zimmer und packen sie ins Auto. Jill und Stuart kommen herüber und wechseln noch einige Worte mit Charlotte. Ich habe das Gefühl, dass Stuart betont lässig wirken möchte, als gehe ihn all das gar nichts an und er habe Charlotte gerade beim Einkaufen getroffen. Dann ist es soweit, wir fahren los. Stuart hat nicht einmal geantwortet, als ich mich verabschiedet habe. Irgendwie stellvertretend für meine Erlebnisse in den vergangenen Tagen.

Wir fahren los und Charlotte beginnt zu erzählen. Sie erklärt mir, warum sie mich aus dieser Familie herausgeholt hat. Zum einen gäbe es Personen, die einfach nicht zueinander passen. Zum anderen seinen Jill und Stuart definitiv nicht froh gewesen mit dem, wie es war. Und dass ich mich in der Schule mitgeteilt habe, hätte bestätigt, dass auch ich nicht froh war. Sie erwähnte beiläufig, dass Stuart sie gebeten hätte, mich aus der Familie zu nehmen. Die nächste Zeit würde ich erst einmal bei ihr wohnen. Ihre zwei Töchter und ihr Mann wüssten allerdings noch nichts davon.
Meine positive Grundstimmung bekommt allerdings einen kleinen Dämpfer, als Charlotte mir mitteilt, dass mein Laptop und auch mein MP3-Player für drei Wochen erst einmal in ihrer Obhut verweilen würden. Damit, dass in ihrem Haushalt keine Gameboys existieren, kann ich da schon wesentlich besser klarkommen. Es sei allerdings alles nur zu meinem Besten, damit ich mich besser einleben könne. Jill hatte meine Aufenthalte in meinem Zimmer ihr gegenüber wohl angeführt.
Aber ich könne den Familiencomputer benutzen – für eine halbe Stunde am Tag.

Als wir uns Shepparton nähern, wird mir klar, dass das Leben hier doch etwas anders ist. Shepparton erscheint – trotz dessen, dass es dunkel ist – wesentlich größer und belebter als Numurkah und erst recht als Invergordon (wenn man dort überhaupt von Leben sprechen kann, von Tieren einmal abgesehen).
Ein Schulwechsel stünde nun an (und damit werden meine Befürchtungen Wirklichkeit), Charlotte wohnt direkt neben einer Schule mit einem Namen, den man sich nicht merken kann – irgendetwas mit „W“. SCCE hat bei der Schule angefragt und man warte nun auf eine Zu- oder Absage. Ich hoffe, dass ich an dieser Schule genau so gut aufgenommen werde wie in Numurkah und vor allem, dass die Fächer so gut passen. Ich bin sehr betrübt über den Wechsel. Ich mag die Lehrer, die Leute, den Unterricht und nicht zuletzt natürlich auch die Tatsache, dass mittwochs frei ist.

In meinem neuen Übergangszuhause wohnen neben Charlotte und ihrem Mann Grant noch zwei Kinder: Rush und Jol. Rush für Rushlee und Jol für Jolina. Eine weitere Tochter wohne nicht mehr zu Hause, sie ist schon 21.
Charlotte warnt mich vor, Rush würde nur eine Lautstärke kennen: laut. Und ich fühle mich ein wenig an Nathalie erinnert. Sie sagt auch, welche Behinderung Rush genau hat, aber der Begriff ist Englisch und ich kenne die Übersetzung nicht – meinen PDA habe ich zwar in der Tasche, möchte ihn aber ungern herausholen. Nicht, dass der sich auch noch für drei Wochen verabschiedet.

Mein einziger Job wird sein, mein Zimmer sauber zu halten, von einigen Gelegenheitsjobs abgesehen. Den Kontakt zu meinem Amateurfunkfreund würde Charlotte gerne sehen. In Sachen Essen und Trinken darf ich mir selbst helfen – und als sie die Wendung „may help yourself“ benutzt, die im Flyer von SCCE bei den empfohlenen Fragestellungen zum Einleben aufgeführt ist, fühle ich mich doch ein wenig wie in „der“ Musterfamilie für Austauschschüler. Charlotte hatte schon einige Austauschschüler und sagt deshalb selbst, sie kenne sich mit teenage boys aus.
Ich frage, wie das denn so mit Frühstück sei – die Antwort ist: „just help yourself when you get up“. In der Woche ist die Zeit des Aufstehens durch die Schule vorgegeben, samstags ist 10 Uhr in Ordnung, sonntags auch mal später.

Als wir ankommen, finden wir zwei Kinder vor: Die eine vorm Fernseher, die andere am Computer. Rush einzuschätzen ist schwierig, ich halte sie zunächst für die Jüngere der beiden.
Charlotte zeigt mir mein Zimmer, es ist das Zimmer ihrer größten Tochter. Es ist in Blau gehalten, nur an einer Wand sind neben blauen auch rosane und grüne Farbstreifen zu finden. Groß ist es nicht und auch nicht übermäßig voll: Ein Holzbett steht darin und einen Wandschrank gibt es auch, in dem ich einige Fächer erhalte.
Im Haus gibt es ein paar Tiere. Der Hund, „Anger“, mag mich – ich ihn auch, obwohl er etwas klein ist und viel zu viel Fell hat. Zumindest im Vergleich mit einem Labrador. Bei den Goldfischen bin ich mir nicht so ganz sicher, wie sie zu mir stehen.

Charlottes Hund 'Anger'

Charlottes Katze

Schon kurze Zeit später fahren wir los, Charlotte nimmt mich mit in die Bibliothek. Dort gucke ich mich ein wenig um (und bemerke als erstes die Internetarbeitsplätze). Dann suche ich mir ein Buch, zunächst soll es ein englisches sein. Ich entscheide mich für eines aus der Abteilung für Teenager: „Ads ‚r‘ us„. Dann stöbere ich noch ein wenig in dem Regel für deutsche Bücher, wo auch einige interessante Werke verweilen. Anscheinend hat jemand kürzlich einige aktuelle Bücher bestellt.
Jol und Charlotte finden auch etwas zu lesen, dann fahren wir wieder zurück. Durch das dunkle Shepparton, am Fluss entlang.

Zurück zu Hause gibt es erst einmal Essen: Ganz klassisch englisch – Grant hat „fish and chips“ geholt. Leckere Sache und passt recht gut in meinen europäischen Geschmack. Danach ist erst einmal Big Brother dran.

Als ich danach kurz nach acht Uhr ins Bett gehe, denke ich über den Tag nach. Ein schwieriger Tag, alles nicht so ganz einfach. Ich bin mir unsicher, wie ich mit der Tatsache, dass ich nun hier wohnen soll, umgehen soll. Ich überlege, ob ich lieber darum hätte bitten sollen, das Angebot von heute Vormittag annehmen zu dürfen. Und über all diese Überlegungen sinke ich in den Schlaf.


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