ein langer Tag

Freitag, den 20. Juli 2007

Ich wache um zehn nach vier auf, aber schlafe wieder ein. Dann wache ich erneut auf, mein Wecker hat immer noch nicht geklingelt. Ich denke, dass es nun aber bald mal soweit sein müsste und just in diesem Moment lässt mich der schrille Piepton hochschrecken. Es ist fünf vor sechs und ich habe gleich einen Gesprächstermin mit meinem Vater. Ich stehe auf, gehe kurz ins Bad und schließe dann die Tür zur Küche, um Jill gegebenenfalls nicht zu wecken, ich bin mir nicht ganz sicher, ob sie im Haus ist. Ich mache das Licht an und klingele meinen Vater an. Er ruft zurück (Hilfe, ist das laut, wenn es ruhig ist!), aber die Verbindung dauert nur fünf Minuten, weil bei Peter im Moment ein hoher Andrang herrscht. Verständlich um diese Zeit, Amerika und Australien passen im Moment beide zur deutschen Zeit.
Ich schildere die Situation zu dem Zeitpunkt, als ich gestern mit ihm telefoniert habe, und vor allem auch, was danach passierte. Wir erörtern die Situation und weitere Vorgehensweise. Ich werde noch mit der Beratungslehrerin an der Schule sprechen, schließlich brauche ich auch deren Unterstützung bei einem etwaigen Gastfamilienwechsel.

Dann gehe ich noch ein wenig in mein Zimmer. Als ich frühstücken gehe, ist Stuart drinnen. Er fragt mich, ob ich mit meinem Vater telefoniert hätte. Ich sage ihm, dass ich das schon gestern nach der Schule abgemacht hätte.
Der Schulbus ist pünktlich (zumindest soweit ich das ohne Uhr abschätzen kann), aber Samira steht auch heute nicht an der Straße. Vor der Schule gehe ich, als das allmorgendliche staff briefing im Lehrerzimmer abgeschlossen ist, zu meiner program manager in an der Schule und erzähle ihr, dass ich womöglich meine Gastfamilie wechseln werde. Sie fragt nach, warum und ich erzähle ihr meine Geschichte, während es zur Homegroup und dann zur Stunde klingelt. Sie sagt, sie würde Charlotte anrufen und einmal mit ihr sprechen. Während einer Übergangsphase könne ich auch bei ihre wohnen, sie habe schon Schüler über SCCE gehabt und ihre Kinder seien gerade alle außer Haus, zum Teil wie ich im Ausland.

Der Unterricht gestaltet sich genau so angenehm wie zuvor, abgesehen von dem komischen Gefühl, dass mich den ganzen Tag begleitet, und widerspiegelt, dass ich nicht weiß, wohin mich mein Weg führen wird und auch nur wenig Einfluss darauf habe. Dass ich zur ersten Stunde zu spät komme, scheint mein Mathelehrer nicht sonderlich schlimm zu finden. Er sagt nichts – wobei das auch daran liegen kann, dass wir uns zu dem Zeitpunkt nicht im Frontalunterricht befinden. Heute gibt es nur eine Stunde Mathe für mich, die zweite habe ich Physik in einer angenehm kleinen Lerngruppe von nur gut zehn Schülern. Der Lehrer – der, als er sich mir vor der Stunde vorstellte, ganz selbstverständlich meinte, ich könne ihn gerne auch Michael nennen – bringt uns nahe, wie wissenschaftliches Denken in Modellen funktioniert.
Dann folgen zwei Stunden Business Management. Es geht um Kommunikation – heya! Das ist doch mal praxisnaher Unterricht. In der zweiten Stunde sind wir in der Bibliothek, um einigen Fragen – oder vielmehr deren Antworten – auf die Schliche zu kommen. Ich nutze die Zeit am Computer allerdings anderweitig.
Dann folgt die große Pause (die eine Stunde werde ich in Deutschland wohl echt vermissen) und auch ich begebe mich nach einigen Minuten aus der Bibliothek nach draußen. Kein mir bekanntes Gesicht ist zu sehen, aber zwei Mädchen, die ich gestern schon einmal gesehen habe, fragen mich, ob ich mit herüber kommen möchte und dort sitzen sie alle: Austauschschüler und Anhang (oder andersherum). Irgendjemand treibt einen Football auf und nachdem ich mich anfänglich sträube, versuche ich dann doch einmal, ihn zu kicken. Gar keine so einfache Sache, aber ich bin ja nicht der einzige Anfänger, auch die zwei anderen Australienneulinge versuchen sich daran. Es ist auf jeden Fall faszinierend, dass ein einfacher Football eine Gruppe von 15 Schülern mit einem relativ kleinen Platzbedarf eine ganze Zeit lang beschäftigen kann – und das auch noch Spaß macht. Hat irgendwie etwas, wenn der Ball zu einem kommt und man ihm nicht hinterher rennen muss. Und erinnert mich ein wenig an die Ballspiele der Oberstufler in meiner Schule in den Pausen.
Nach der Pause bin ich überpünktlich am Raum für den Englischunterricht. Er ist zu (was aber nicht verwunderlich ist, da die Räume das meist sind) und abgedunkelt, aber dann kann ich plötzlich den Sound von Windows XP hören, der erklingt, wenn man sich einloggt. Ich klopfe ein und mir wird geöffnet. Meine Englischlehrerin scheint zwischenzeitlich ihr Gespräch mit Charlotte geführt zu haben. Sie teilt mir mit, dass sie eine Nachricht für mich habe: Wenn ich nach Hause käme, müsse ich wieder packen. Charlotte würde mich diesen Nachmittag mitnehmen. Ich setze mich in die erste Reihe auf den gleichen Platz wie gestern auch. An die freie Sitzwahl in jeder Stunde habe ich mich noch nicht so ganz gewöhnt. Als die anderen Schüler eintreffen (zwei Mädchen setzen sich noch einmal zu mir nach vorne um und wir halten ein wenig Smalltalk), gucken wir nach einigen Anlaufschwierigkeiten mit dem Beamer wieder Gattaca. Die bekannte Geschichte zieht nur so an mir vorbei, ich lasse mich mehr oder weniger berieseln.
Als letztes Fach an diesem Tag winkt foods. Auf dem Weg dorthin erzähle ich der Austauschschülerin aus Brasilien, dass ich vielleicht die Schule wechseln würde und was gestern passiert ist. Sie zeigt sich ein wenig erschüttert darüber und bittet um meine E-Mail-Adresse für den Fall, dass heute mein letzter Tag an dieser Schule ist. Heute ist eine Theoriestunde und wir besprechen hauptsächlich, was man alles wissen muss, um für seine Familie die Mahlzeiten für die kommende Woche zu planen. Interessant, dass man sowas als Unterricht verkaufen kann. Aber es gibt sogar ein Lehrbuch und mit schon fast naturwissenschaftlicher Präzision werden dort Dinge vermittelt wie ein Praxistest, der belegen soll, dass Silikonprodukte bessere Resultate beim Kochen hervorbringen als ihre Vorgänger.

Im Bus nach Hause sitzt Samira wiederum. Wir reden ein wenig – über die Sitzbank hinweg, weil sich jemand anders neben mich gesetzt hat. Als sie aussteigt, sagt sie zu mir: „Bis Montag“ und ich denke nur „vielleicht“. Sie wird von ihrer Familie an der Haltestelle abgeholt: Ich kann Vater, Mutter und Gastbruder durch die Autofenster sehen.

Als ich auf die Farm komme, trinke ich etwas, Hunger habe ich nicht (Und ich kann jetzt auch nachvollziehen, warum Hanna in der Schule sagte, dass Jungen während ihres Aufenthalts üblicherweise eher abnehmen). Dann mache ich mich daran, meine Sachen zusammenzusuchen. Viel verteilt habe ich nicht, alles ist auf mein Zimmer konzentriert, selbst Zahnbürste und Zahnpasta habe ich jeden Tag wieder in die Kulturtasche zurückgeräumt. So, als wäre es ganz selbstverständlich, dass ich die Sachen bald wieder zusammensuchen müsste.
Stuart kommt herein und fragt mich, ob ich mit einem der Lehrer über die Probleme gesprochen habe. Er habe nämlich einen Anruf aus der Schule erhalten. Ich verneine – meine Ansprechpartnerin an der Schule ist zwar auch meine Englischlehrerin, aber ich habe nicht als diese mit ihr gesprochen, sondern mit ihr als program managerin. Stuart meint ein wenig zynisch, dass das dann wohl jemand anders gewesen sein müsse.

Kurze Zeit später ist alles fertig gepackt, nur die Farmkleidung ist noch im Schrank. Ich brauche ein wenig mehr Platz als auf der Reise von Deutschland, das liegt aber daran, dass ich alles nur mehr oder weniger ordentlich in den Koffer verfrachtet habe. Ich setze mich in die Küche und warte auf Charlotte.

Jill kommt von der Arbeit und setzt sich zu mir. Sie fragt, ob ich die Gastgeschenke für meine nächste Familie mitnehmen wollen würde. Ich verneine – schließlich sind es Geschenke und mein Anstand sagt mir, dass sie hier bleiben sollen.
Dann erzählt sie mir, was sie schon viel früher hätte erzählen sollen: Was sie an mir stört. Und ich finde es verwunderlich, dass es sie stört, wenn ich, mit dem Essen fertig, während sie Zeitung liest und Stuart die Post bearbeitet, für einige Sekunden meinen PDA zücke und eine handschriftliche Notiz mache. Oder, dass es sie stört, wenn ich in meinem Zimmer sitze, wo sie und Stuart diejenigen sind, die nahezu den ganzen Tag arbeiten und damit nicht einmal greifbar sind. Und auch ein anderes Missverständnis kommt heraus: Mit „We don’t mind you using the phone.“ meinte Jill nicht, dass ich mit meiner CallingCard telefonieren kann, wenn das notwendig ist. Sondern dass ich, wenn ich von der Schule komme und einen Gesprächstermin mit meinem Vater abmachen möchte, bitte doch vorher extra deshalb nach draußen zu Stuart gehen solle, um ihn zu fragen.
Eigene Fehler räumt sie dabei nicht wirklich ein. Sie sagt zwar, dass es wohl auch möglich sei, dass die beiden welche gemacht hätten, aber sie hätten schließlich schon so viele Austauschschüler gehabt – auch erfolgreiche -, dass sie das für eher unwahrscheinlich hält. Dann muss sie nach draußen zu Stuart.
Ja ja, das ist alles so eine Sache mit der Kommunikation. Manchmal klappt sie und manchmal nicht. Hier wohl eher nicht.

Um viertel nach fünf fährt Charlotte auf den Hof. Ich sehe sie aus dem Küchenfenster zu mir herüberwinken und fragen, ob Jill und Stuart auf dem Hof seien. Ich bejahe und setze mich wieder hin.

Nach einiger Zeit kommt sie ins Haus. Es ist das erste Mal, dass wir uns sehen, bisher haben wir nur E-Mails geschrieben und telefoniert. Wir holen meine Sachen aus dem Zimmer und packen sie ins Auto. Jill und Stuart kommen herüber und wechseln noch einige Worte mit Charlotte. Ich habe das Gefühl, dass Stuart betont lässig wirken möchte, als gehe ihn all das gar nichts an und er habe Charlotte gerade beim Einkaufen getroffen. Dann ist es soweit, wir fahren los. Stuart hat nicht einmal geantwortet, als ich mich verabschiedet habe. Irgendwie stellvertretend für meine Erlebnisse in den vergangenen Tagen.

Wir fahren los und Charlotte beginnt zu erzählen. Sie erklärt mir, warum sie mich aus dieser Familie herausgeholt hat. Zum einen gäbe es Personen, die einfach nicht zueinander passen. Zum anderen seinen Jill und Stuart definitiv nicht froh gewesen mit dem, wie es war. Und dass ich mich in der Schule mitgeteilt habe, hätte bestätigt, dass auch ich nicht froh war. Sie erwähnte beiläufig, dass Stuart sie gebeten hätte, mich aus der Familie zu nehmen. Die nächste Zeit würde ich erst einmal bei ihr wohnen. Ihre zwei Töchter und ihr Mann wüssten allerdings noch nichts davon.
Meine positive Grundstimmung bekommt allerdings einen kleinen Dämpfer, als Charlotte mir mitteilt, dass mein Laptop und auch mein MP3-Player für drei Wochen erst einmal in ihrer Obhut verweilen würden. Damit, dass in ihrem Haushalt keine Gameboys existieren, kann ich da schon wesentlich besser klarkommen. Es sei allerdings alles nur zu meinem Besten, damit ich mich besser einleben könne. Jill hatte meine Aufenthalte in meinem Zimmer ihr gegenüber wohl angeführt.
Aber ich könne den Familiencomputer benutzen – für eine halbe Stunde am Tag.

Als wir uns Shepparton nähern, wird mir klar, dass das Leben hier doch etwas anders ist. Shepparton erscheint – trotz dessen, dass es dunkel ist – wesentlich größer und belebter als Numurkah und erst recht als Invergordon (wenn man dort überhaupt von Leben sprechen kann, von Tieren einmal abgesehen).
Ein Schulwechsel stünde nun an (und damit werden meine Befürchtungen Wirklichkeit), Charlotte wohnt direkt neben einer Schule mit einem Namen, den man sich nicht merken kann – irgendetwas mit „W“. SCCE hat bei der Schule angefragt und man warte nun auf eine Zu- oder Absage. Ich hoffe, dass ich an dieser Schule genau so gut aufgenommen werde wie in Numurkah und vor allem, dass die Fächer so gut passen. Ich bin sehr betrübt über den Wechsel. Ich mag die Lehrer, die Leute, den Unterricht und nicht zuletzt natürlich auch die Tatsache, dass mittwochs frei ist.

In meinem neuen Übergangszuhause wohnen neben Charlotte und ihrem Mann Grant noch zwei Kinder: Rush und Jol. Rush für Rushlee und Jol für Jolina. Eine weitere Tochter wohne nicht mehr zu Hause, sie ist schon 21.
Charlotte warnt mich vor, Rush würde nur eine Lautstärke kennen: laut. Und ich fühle mich ein wenig an Nathalie erinnert. Sie sagt auch, welche Behinderung Rush genau hat, aber der Begriff ist Englisch und ich kenne die Übersetzung nicht – meinen PDA habe ich zwar in der Tasche, möchte ihn aber ungern herausholen. Nicht, dass der sich auch noch für drei Wochen verabschiedet.

Mein einziger Job wird sein, mein Zimmer sauber zu halten, von einigen Gelegenheitsjobs abgesehen. Den Kontakt zu meinem Amateurfunkfreund würde Charlotte gerne sehen. In Sachen Essen und Trinken darf ich mir selbst helfen – und als sie die Wendung „may help yourself“ benutzt, die im Flyer von SCCE bei den empfohlenen Fragestellungen zum Einleben aufgeführt ist, fühle ich mich doch ein wenig wie in „der“ Musterfamilie für Austauschschüler. Charlotte hatte schon einige Austauschschüler und sagt deshalb selbst, sie kenne sich mit teenage boys aus.
Ich frage, wie das denn so mit Frühstück sei – die Antwort ist: „just help yourself when you get up“. In der Woche ist die Zeit des Aufstehens durch die Schule vorgegeben, samstags ist 10 Uhr in Ordnung, sonntags auch mal später.

Als wir ankommen, finden wir zwei Kinder vor: Die eine vorm Fernseher, die andere am Computer. Rush einzuschätzen ist schwierig, ich halte sie zunächst für die Jüngere der beiden.
Charlotte zeigt mir mein Zimmer, es ist das Zimmer ihrer größten Tochter. Es ist in Blau gehalten, nur an einer Wand sind neben blauen auch rosane und grüne Farbstreifen zu finden. Groß ist es nicht und auch nicht übermäßig voll: Ein Holzbett steht darin und einen Wandschrank gibt es auch, in dem ich einige Fächer erhalte.
Im Haus gibt es ein paar Tiere. Der Hund, „Anger“, mag mich – ich ihn auch, obwohl er etwas klein ist und viel zu viel Fell hat. Zumindest im Vergleich mit einem Labrador. Bei den Goldfischen bin ich mir nicht so ganz sicher, wie sie zu mir stehen.

Charlottes Hund 'Anger'

Charlottes Katze

Schon kurze Zeit später fahren wir los, Charlotte nimmt mich mit in die Bibliothek. Dort gucke ich mich ein wenig um (und bemerke als erstes die Internetarbeitsplätze). Dann suche ich mir ein Buch, zunächst soll es ein englisches sein. Ich entscheide mich für eines aus der Abteilung für Teenager: „Ads ‚r‘ us„. Dann stöbere ich noch ein wenig in dem Regel für deutsche Bücher, wo auch einige interessante Werke verweilen. Anscheinend hat jemand kürzlich einige aktuelle Bücher bestellt.
Jol und Charlotte finden auch etwas zu lesen, dann fahren wir wieder zurück. Durch das dunkle Shepparton, am Fluss entlang.

Zurück zu Hause gibt es erst einmal Essen: Ganz klassisch englisch – Grant hat „fish and chips“ geholt. Leckere Sache und passt recht gut in meinen europäischen Geschmack. Danach ist erst einmal Big Brother dran.

Als ich danach kurz nach acht Uhr ins Bett gehe, denke ich über den Tag nach. Ein schwieriger Tag, alles nicht so ganz einfach. Ich bin mir unsicher, wie ich mit der Tatsache, dass ich nun hier wohnen soll, umgehen soll. Ich überlege, ob ich lieber darum hätte bitten sollen, das Angebot von heute Vormittag annehmen zu dürfen. Und über all diese Überlegungen sinke ich in den Schlaf.

the first day

Donnerstag, den 12. Juli 2007

5.47 Uhr. Kein Wecker klingelt, aber wach bin ich trotzdem. Ich weiß nicht, warum – in Deutschland ist es schließlich kurz vor 22 Uhr. Ich denke an die letzten Tage, die Reise und die Menschen, die mich auf ihr begleitet haben. Gefühlte Stunden später schlafe ich wieder ein, bis mich Jill um halb zehn weckt.
Zum Frühstück esse ich zwei Toasts mit Erdnussbutter. Hat auch irgendwie etwas, creamy peanut butter, obgleich ich die crunchy-Version von zu Hause gewöhnt bin. Die gute aus Amerika…

Jill gibt mir Post von SCCE, zwei Umschläge mit vielen Informationen: Ein 20-seitiges Handbuch soll mir den Weg weisen durch den Regeldschungel, den Kulturstress und all die anderen Dinge. Ich bekomme eine weitere Ausfertigung der Regeln von SCCE, einen Flyer mit Informationen und einem „arrival report for SCCE international students“. Drei bunte Blätter sind prall gefüllt mit Informationen über die verschiedenen Aktivitäten in Victoria in diesem Jahr und über die zwei Reisen, die SCCE in Australien anbietet: Eine Reise in den Norden Queenslands, unter anderem zum Great Barrier Riff, im November und eine nach Zentralaustralien, unter anderem zum Ayers Rock (oder Uluru, wie die Aborigines ihn nennen), im April kurz vor der Ausreise. Der obligatorische SCCE-Werbeprospekt rundet das Paket ab.
Außerdem wird noch zur „arrival orientation“ geladen, die für alle Austauschschüler verpflichtend ist. Sie findet am kommenden Sonntag in Melbourne statt. Weil Jill und Stuart auf der Farm arbeiten müssen, werde ich von den Gasteltern einer Austauschschülerin in Shepparton mitgenommen.

Um 10.15 Uhr setze ich zum ersten Mal an diesem Tag meinen Fuß vor die Tür. Auf dem Rasen liegt Tau und es ist kalt.

Blick die Straße herunter nach Shepparton

Wir fahren nach Shepparton, um dort in einem Second-Hand-Laden („odd shop“) einige Kleidung für mich für die Farmarbeit zu besorgen. Kurze Zeit später verlassen wir schwer bepackt und nur um 41 australische Dollar ärmer den Laden. Jill wollte bezahlen: Die „farm clothes“ seien zur Arbeit da und würden schließlich auch auf der Farm bleiben. In einem Fotoladen kaufen wir einen Adapter, meiner passt nämlich in fünf dutzend Ländern der Welt, nur nicht in Australien. In der Fußgängerzone bemerke ich einige Lautsprecher, fest installiert, aus denen Musik erklingt. Kurios.
Dann begeben wir uns in ein Einkaufszentrum und suchen Schuhe für Jills Nichte. Ich entdecke einen Telstra-Laden, vor dem ein Schild Werbung für ein UMTS-ähnliches Internet macht. Einige Schuhläden später essen wir – gemeinsam mit Jills Mutter – bei Subway, um uns dann wieder auf den Heimweg zu machen.

Blick zur Farm von der Straße aus

Auf der Farm sehe ich mich das erste Mal richtig draußen um und helfe dann Jills Nichte und Neffen beim Füttern der Kälber, während Jill und Stuart die Kühe melken. Später gehen wir Stuart bei einer Nachgeburt zur Hand. Als alles erledigt ist, bekomme ich meine erste regelmäßige Aufgabe: Stuart zeigt mir, wo das Holz gelagert wird, das wir brauchen, damit der Kamin jeden Abend lodern kann.
In einer Voliere nahe des Hauses sind 15 Wellensittiche untergebracht. Mir ist absolut unklar, wie die bei diesen Temperaturen draußen überleben können, aber es scheint ihnen gut zu gehen.

Wellensittich in der Voliere im Garten

Auf einer großen Weide sind die meisten der unzähligen Kälber untergebracht, drei haben ein eigens eingerichtetes Strohhotel und sieben weitere ihren eigenen Stall.

Kalb

Auf dem Rasen hinter der Garage steht Rustys Hundehütte, neben der Haustür ist der Zweitwohnsitz: einige Decken

Am Abend überreiche ich Jill und Stuart die Gastgeschenke und bin innerlich noch immer ein wenig verstimmt darüber, dass sich die DVD über Bremerhaven nicht wieder angefunden hat. Dann telefoniere ich mit meiner local coordinator-in. Mehr oder weniger deshalb, weil das SCCE-Willkommensschreiben fordert: „Don’t wait for Charlotte phoning you, call NOW and introduce yourself!“. Jill schüttelt darüber ein wenig den Kopf, schließlich würde Charlotte sich ohnehin in den nächsten Tagen nach mir erkundigen. Und genau das erzählt Charlotte mir auch.

Am Abend schreibe ich die Tagesberichte für die letzten Tage nach – ich habe ja nun endlich Strom für meinen Laptop – und höre deshalb Stuart erst, als er in der Tür steht. Mein Vater hat zurückgerufen, meine zwei Versuche heute und gestern waren nämlich beide auf Anrufbeantworter und Mailbox aufgeschlagen. Endlich erhalte ich meinen PIN für die EC-Karte der Deutschen Bank.
Ich bin müde und möchte ungern wieder so lange schlafen, zumal Jill ihr Missfallen diesbezüglich hat durchblicken lassen, und gehe gegen 22 Uhr zu Bett.

eins, zwei, weg

Samstag, den 7. Juli 2007

Nur noch zwei Tage zeigt der Countdown und genau so sieht es hier auch aus: Mein Zimmer ist (hoffentlich) bald vollständig in Kartons verpackt, der Koffer ist halb gefüllt (Die Spanischbücher, die gestern geliefert wurden, haben ihren Weg noch nicht hinein gefunden…) und die wohl letzte Mail an Jill ist vorhin rausgegangen.
Heute Nachmittag findet hier noch die Abschlussfeier meiner Klasse statt, was den Zeitplan zusätzlich strafft. Aber ich habe mir den Sonntag vorsorglich seit Wochen freigehalten für Eventualitäten und bin zuversichtlich, den Flieger zu erwischen…

Vor ein paar Tagen ist die PIN zur bereits erwähnten CampusCard eingetroffen. Damit kann ich jetzt auch von Australien für derzeit 3 Eurocent pro Minute nach Deutschland telefonieren. Wie mir Isabel R. netterweise mitteilte, geht es sogar noch günstiger, dann fallen allerdings australische Telefongebühren an: Mit der Calling Card von Happy zahlt man 0,99 australische Dollar pro Verbindung und dann einen halben Cent pro Minute. Diese Karte arbeitet im Gegensatz zur CampusCard auf Guthabenbasis.

Seit dem letzten Wochenende hat meine Kamera, die Canon EOS 400D leider ein kleines Problem, weshalb ich wohl ohne sie fliegen werde. Da ist erstmal Reperatur angesagt und die kann leider nur in Europa erfolgen. Aber ich werde meine drei Jahre alte Fujifilm FinePix S20 Pro mitnehmen und schon mal loslegen mit den Fotos.

Mein Koffer wird immer schwerer, auch in literarischer Hinsicht: Ich besitze nun ein ganz tolles Buch über Australien von Bill Bryon mit dem Titel „Frühstück mit Kängurus„. Ich habe mich erst getraut, es bis Seite 25 anzulesen – für mehr habe ich im Moment auch keine Zeit -, aber ich bin zuversichtlich, dass es mir noch viele Stunden Lesefreude beschert … auf dem Flug und in Australien.

Für alle, die wie ich gerade packen, habe ich noch einen Tipp: Macht nicht nur einen Adressanhänger an den Koffer (das sollte sowieso selbstverständlich sein), sondern legt auch einen A4-Zettel obenauf in den Koffer, auf dem ihr die Daten noch einmal festhaltet. Manchmal reißen die Anhänger ab und es ist wirklich unglücklich, ohne Koffer am anderen Ende der Welt zu landen.

Murray River rules german exchange students?

Sonntag, den 1. Juli 2007

Irgendwie scheint die Gegend am Murray River landschaftlich attraktiv zu sein. Ich habe gestern eine weitere Austauschschülerin kennengelernt, die in die Gegend „230 km nördlich von Melbourne“ platziert wurde. Und sie berichtet von mindestens vier weiteren, die auch dort irgendwo für ein Jahr ihr Zuhause gefunden haben.
Und ich muss sagen, mich doch glücklich schätzen zu können, nur 17 km von meiner Schule entfernt zu sein – und nicht fünfzig… Das finde ich dann doch etwas zu viel des Guten.

Mein Vater hat mir vorhin mal ein wenig von seinen Erfahrungen mit Quantas erzählt … und jetzt bin ich stolzer Besitzer eines Quantas-T-Shirts. Das gibts nämlich im „Survival Package“, das man als gestresster Reisender erhält, wenn Koffer aus unerklärlichen Gründen unauffindbar sind und man gerne etwas anziehen und sich die Zähne putzen möchte. Vielleicht drückt der Schalterbeamte ja dann das ein oder andere Auge beim Gepäckwiegen zu – wir werden sehen.
Und dann hat er noch eine Anekdote von seinem letzten längeren Flug gebracht, nachdem wir darüber gesprochen hatten, dass die Besatzung im Flugzeug Betten habe: Bei seinem letzten Flug sei der Pilot ungefähr eine Stunde vor der Landung noch munter durch das Flugzeug spaziert…

Unterdessen habe ich die gemeinschaftliche Website der Milchwirtschaftsbetriebe in Australien ausfindig gemacht. Mal sehen, vielleicht schmeckt die Milch dort ja anders als hier…

In Sachen Reiten in Australien bin ich auf die glorreiche Idee gekommen, neben meiner Reithose ja nun auch meinen Reithelm mitzunehmen: Wahrscheinlich an meinem Rucksack dran, in den Koffer wird er wohl gewichtsmäßig nicht mehr passen. Meine Reitstiefel bleiben wohl zu Hause, bei den Wetterverhältnissen, von denen Jill mir erzählt hat, habe ich wohl eher weniger durchmatschte Weiden zu befürchten als hier.

Heute morgen habe ich nämlich wieder mit Jill telefoniert, bevor ich arbeiten gegangen bin. Sie hatte noch immer von SCCE keine Informationen bezüglich des Fluges bekommen – aber dann jetzt von mir. Wurde ja auch langsam mal Zeit. Stuart war wieder beschäftigt, ihn werde ich wohl das erste Mal am Flughafen sprechen. Jill sagte mir auch, dass ich, wenn ich ankäme, gleich gut beschäftigt sein würde…

jetzt sind sie komplett

Dienstag, den 26. Juni 2007

Ich halte nämlich den 5. Rundbrief in den Händen. Diesmal ist er auch ein bisschen umfangreicher:

STEP IN weist nochmals auf das Vorbereitungsseminar hin, das am Abflugtag in Frankfurt stattfindet. Auch dort werden wie beim Elternseminar wieder Returnees dabeisein.
Ich halte nun endlich die bestätigten Flugverbindungen in den Händen und zwar sowohl für den Hin-, als auch für den Rückflug. Ich werde am 09.07.07 wie angekündigt um 23.55 Uhr von Frankfurt mit QF 6 nach Sydney fliegen (in Singapur wird nur aufgetankt) und dort um 05.10 Uhr ankommen. Um 09.00 Uhr geht es dann weiter mit QF 419 nach Melbourne, wo ich um 10.30 Uhr eintreffen werde. Alle Uhrzeiten habe ich, wie bei Flügen üblich, in Ortszeit angegeben.
Auch auf die Gepäckbestimmungen wird noch einmal umfangreich hingewiesen: Sowohl die Gewichtsbegenzungen (1 piece 20 kg + 1 piece 7 kg Handgepäck) als auch die Kennzeichnung (mit Namen – und vor allem mit wessen Namen denn eigentlich…) und der Inhalt (neue Handgepäckbestimmungen vor allem im Bezug auf Flüssigkeiten und gelartige Substanzen, Nahrungsmittel und Medikamente) werden ausführlichst erörtert. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch folgendes Statement von Quantas auf ihrer Website, obwohl es mich nicht betrifft:

„In addition, one musical instrument is permitted provided it cannot fit in the one carry-on bag and it has no other items in the instrument case, except the instrument itself.“

Von STEP IN hieß es bislang, dass Musikinstrumente nicht immer mitgenommen werden könnten. Da klingt das doch wesentlich besser.
Die Kontaktdaten der Partnerorganisation in Australien stehen auch noch einmal im Rundbrief, ebenso wird darauf hingewiesen, was in der ersten Zeit in Australien an Veranstaltungen ablaufen: Ankunft und Vorbereitungsseminar im Gastland – und wie das mit den Versicherungspolicen abläuft.
Auch einige Worte eigenständige Reisen während und am Ende des Aufenthaltes im Gastland sind Bestandteil des Rundbriefes. Beigelegt ist ein Informationsblatt zu der Tour „FAR NORTH QUEENSLAND“ vom 16. bis 23. November 2007. Auf dieser Reise geht es acht Tage lang nach Cairns, anmelden muss man sich bis zum 10. August 2007.
Die Gebühren australischer Schulen werden ebenso angesprochen, man habe ungefähr 400 AU$ für die Schuluniform einzuplanen. Darüberhinaus fielen oftmals noch weitere fächer- oder leistungsspezifische Kosten, die zwischen 50 und 200 AU$ pro Term variieren. Mit Schulgebühren sollte man diese allerdings nicht verwechseln, diese werden den STEP IN Teilnehmern nämlich erlassen.
Und dann nutzt noch die CALL COMPANY, ein Telekommunikationsdienstleister aus Passau, den Rundbrief als Werbeplattform: Eines ihrer Produkte, die CampusCard wird mehr oder weniger offensichtlich beworben. Bei der CampusCard handelt es sich um eine Prepaid-Telefonkarte, mit der man zu einem Preis von derzeit 0,29 Euro pro Minute aus Australien in das deutsche oder auch das australische Festnetz telefonieren kann. Die Karte selbst liegt auch bei – inklusive eines Startguthabens von 3 Euro – und muss nur noch freigeschaltet werden.
Die Partnerorganisation SCCE hat auch noch ein Informationsblatt beigelegt, um sich noch einmal näher vorzustellen. Sie gibt einen Überblick über die Organisation und ihren Zweck, die Mitarbeiter, die Austauschprogramme und einige weitere Dinge.
Auch die australische Bildungsbehörde, das Department of Education hat von sich hören lassen, wenngleich auch nur indirekt. Ich möge doch bitte schriftlich bestätigen, dass ich über alle relevanten Dinge (das placement und alles, was dazugehört) aufgeklärt wurde – und dass ich freudig dem Programm entgegensehen (eagerly looking forward to the programm) würde.

„last call before departure, denier appel avant le depart, la ultima notification – Dein Adrenalinspiegel erreicht sein Maximum, Deine Lust auf Fliegen ist nicht mehr zu bremsen – trotzdem mußt Du noch ein Mal in die Unterlagen einsteigen und Dir die wichtigsten Informationen einprägen.“

So beginnt der Rundbrief. Aber irgendwie kann ich das Adrenalin bei mir noch nicht so ganz spüren, muss an den ganzen Sachen liegen, die ich noch bis zum Abflug erledigen muss. Und die werden mit jedem Tag immer mehr…


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