Wasting lifetime

Irgendwie fühle ich mich komisch. Komisch? Ja, komisch.

Ich sitze viel am Computer, das ist richtig. Und das ist für mich ja eigentlich auch ganz normal so und keinesfalls ein Zeichen von Heimweh. Mag daran liegen, dass ich da auch Geld mit verdiene und mein Leben lang mich mit Technik umgeben habe.

Meinen Gasteltern ist das zu viel. Sagen tun sie das aber nicht, sondern sie schieben Argumente vor: Das sei ungesund ist ein ganz beliebtes. Und das mache den Rücken kaputt auch.

Ich solle doch mal rausgehen, meinen sie dann. Wohl wahr. Ich bin gerne draußen, zu Hause fahre ich oft einfach so zu den Pferden und mache Fotos. Oder ich schnappe mir meinen Labrador und fahre mit ihm durch die Felder. Oder ich fahre allein, nachts um halb eins, noch eine Runde – musikhörend und dann einen Cheeseburger bei Burger King kaufend.
Hier ist das anders. Mit Fahrradfahren ist es hier nicht weit her, schließlich habe ich kein eigenes Fahrrad und weit weg kann ich auch nicht. Berenice hat sich schließlich schon bei Charlotte erkundigt, ob ich denn nun die fünf Kilometer zu meiner Praktikumsstelle alleine zurücklegen dürfte oder ob das schon als „alleiniges Reisen“ gelte. Das sei ja auch ziemlich gefährlich, mit dem Fahrrad auf der Hauptstraße und so weiter.

Zuerst habe ich mir dann deshalb von Zeit zu Zeit einfach meine Kamera geschnappt und bin zu Fuß losgelaufen. Aber so langsam verliert das seinen Reiz. Und vor allem ist der Bewegungsradius dadurch auch recht eingeschränkt.

Und das alles wäre ja nicht so schlimm, wenn Jerren mich nicht jeden Tag fragen würde, was ich denn am jeweiligen Tag erreicht hätte oder ob ich wieder einen Tag verschwendet hätte. Das ruft – auf Dauer gesehen – ein ungutes Gefühl hervor. Denn es ist nicht so, dass ich meine Lebenszeit verschwenden würde, aber ich habe Ferien und meine Interessen liegen halt nun einmal nicht bei alten und neuen Autos oder Dampfmaschinenausstellungen. Deshalb verschwende ich noch lange nicht mein Leben.

Meine anderen Hobbies zu Hause lassen sich nicht einfach auf mein neues australisches Leben übertragen. Ich hatte nicht vor, hier Schülersprecher zu werden. Ebenso wenig ist hier ein Reitstall oder eine Pferdekoppel um die Ecke. Von einer freiwilligen Feuerwehr habe ich auch noch nichts gehört. Einen Hund haben wir nicht – und das Kaninchen werde ich bestimmt nicht spazierenführen.

Vielleicht beruhigt sich das wieder ein wenig, wenn die Schule angefangen hat. Oder vielmehr hoffentlich. Ich bin nämlich ein wenig um meinen Wohlfühlfaktor besorgt.

Komisch halt.

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Eine Reaktion zu “Wasting lifetime”

  1. Merle Groneweg

    Ich frage mich gerade, ob ich diesen Beitrag geschrieben habe…
    Mir geht es fast genauso, hab zwar keine Ferien, und hätte auch immer genug für die Schule zu tun, aber ich hocke auf dem Zimmer, denn das tut jeder hier. Mit geschlossener Tür vom Notebook, und das ist, wie du schon geschrieben hast: „für mich ja eigentlich auch ganz normal so und keinesfalls ein Zeichen von Heimweh“.
    Mein Fahrrad, mit dem ich in Deutschland bei gutem Wetter die 12 km hin und 12 km zurück zur Schule geradelt bin, ist auch in Deutschland geblieben. Ich bin seit fast drei Monaten kein Fahrrad mehr gefahren.
    Wo ist der Hund, dem ich Tricks beibringen kann, mit dem ich einfach mal (draußen) spielen kann oder einfach nur streicheln?
    Eine Art SV gibt es hier, dass ich da nicht reinkann, ist logisch, aber das will ich wohl gar nicht, denn wie das hier läuft, ist sehr komisch.
    Ich war in D wohl nicht weniger auf meinem Zimmer, aber in meinem Austauschjahr wollte ich das nicht so handhaben. Nun geht es kaum anders und ich kann niemanden dafür verantwortlich machen.
    Verschwendete Lebenszeit
    Merle

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