Foods, Business Management, Information Technologies, …

Dienstag, den 17. Juli 2007

Heute weiß ich, was ich noch mehr tun kann, als um acht Uhr am Frühstückstisch zu erscheinen: Noch vor halb acht binnen einer Minute aus dem Bett springen und mich anzuziehen, um für Stuart draußen den Kopf einer Kuh hochzuhalten. Vielleicht lasse ich das zur Abwechslung einfach mal so stehen.

Heute morgen, als ich um halb sechs aufgewacht bin, ist mir zum wiederholten Male aufgefallen, dass ich hier in Australien mich morgens an meine Träume erinnere. Ich bin mir nicht so sicher, ob ich das wirklich möchte. Ich habe mich daran gewöhnt, es nicht zu tun und bin eigentlich ganz gut damit klargekommen.

Ich glaube, so langsam wird mir auch klar, warum die beiden auf der Gastfamilien-Bewerbung bei „What household duties would you expect of your exchange student?“ nur „Tide own room. Feed small animals & chooks. Tide up after yourself.“ angegeben haben. Zusätzlich noch „Get wood. Vacuum the floor. Feed big animals. Drag calves. Get the dishes back to the cupboard. Watch the fire.“ hätte einfach nicht in das Feld gepasst.

Mit ein paar Minuten Verspätung holt mich Kim um zwanzig vor zehn von der Farm ab, um mit Samira und mir zur Schule zu fahren, damit wir dort unsere Fächer wählen können.
Auf dem Weg dorthin fällt mir auf, dass auch hier in Australien gewisse Wörter in Liedern mit Pieptönen versehen werden, ganz so, wie man es aus Amerika kennt. Schon eine interessante Sache, Greenday mit American Idiot so zu hören. Ich glaube, das ist das erste Mal, das mit bewusst geworden ist, wie oft ein gewisses Wort in dem Lied enthalten ist.
Ebenso interessant ist die Tatsache, dass es hier in Australien anscheinend an der Tagesordnung ist, kaputte Frontscheiben zu haben. Car-Glas hätte hier mit deren Spezial-Kitt wohl nichts zu holen, von den vier australischen Autos, die ich bis jetzt kenne, hatten zwei einen Sprung in der Frontscheibe. Keinen kleinen, sondern zehn Zentimeter oder mehr.
Und dann passiert etwas, was in meiner Familie ein bisschen kurz kommt: Kim fragt Samira danach, wie sie sich fühlt. Es ist nicht so, dass ich es übertrieben stark vermissen würde. Nur wenn es total fehlt, merkt man es schon. „How are you doin‘?“ ist eben nicht das selbe wie ein „Wie geht es dir?“.

Die Fächerwahl selbst gestaltete sich relativ relaxed, ich habe meine sechs Fächer einfach finden können: Information Technologies, Foods (wird aber eventuell durch Spanisch ersetzt), English, Mathmatics, Business Management, Physics. Was ich mit meiner geisteswissenschaftlichen Verpflichtung mache, ist mir noch nicht so ganz klar. Ich werde gleich einmal in der Schule in Deutschland anrufen und das abklären.
Es gibt einige interessante Unterschiede zu den deutschen Schulen, beispielsweise sind Handys generell verboten. Es sei allerdings an der Tagesordnung, dass trotzdem viele Schüler welche mitbrächten. Fühlt sich ein wenig an, als sei man in Bayern. Ipods oder andere MP3-Player hingegen seien erlaubt und, solange der Lehrer nichts dagegen habe und man sich nicht im Frontalunterricht befinde, ausdrücklich geduldet.
Außerdem bekommt jeder von uns den sogenannten student planners – eine Art Kalender, von der Schule eigens für ihre Schüler gedruckt, der die Schulregeln und einen ganzen Haufen anderen Krams enthält.

Die Schule verfügt über einen Haufen von Flügeln für die verschiedenen Fachgebiete, so dass wir heute mehrfach durch den Regen laufen müssen, um alle zu sehen. Außer Samira und mir ist noch eine italienische Austauschschülerin dabei. Die verschiedenen Flügel sind mit Buchstaben bezeichnet, so beispielsweise A für arts, S für science oder T für technologic, darüberhinaus aber auch noch C, G, M für Flügel oder einzelne Räume – und bestimmt noch einige weitere. In nahezu allen Flügeln befinden sich Computerarbeitsplätze und jeder Schüler bekommt seinen eigenen Login.
Die Schließfächer für die Schüler befinden sich im Außenbereich und dort verbleibt auch der Schulranzen, man nimmt immer nur das mit rein, was man für die nächsten zwei Stunden benötigt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Für das eigene Schließfach sollte sich jeder Schüler ein Schloss besorgen.

Nach der kleinen Schultour und dem wahrscheinlich letzten freundlichen chat mit der Schulleiterin (wer weiß schon, zu welchen Anlässen man einander wiedersieht) begeben wir uns wieder zum Eingang, wo Kim auf uns wartet.
Wir fahren noch beim örtlichen Golf- und Bowlingclub vorbei und essen zu Mittag. Es regnet und ich gönne mir ein Schnitzel mit Salat. Zum ersten Mal in Australien schmeckt mir das Essen wieder wirklich. Es ist gutes Essen, ein wenig deutsch – und vor allem nehme ich mein Mahl in guter Gesellschaft ein.
Während des Essens erfahre ich, dass meine Nachbarn so um die sieben Computer haben, drei oder vier Fernseher – davon einen als Beamer-Ausführung -, eine X-Box, natürlich dementsprechend Internet und dass sie mit Samira schon über ICQ gechattet haben, bevor sie kam. Dann sprechen wir über meine Gastfamilie. Samiras Gastmutter merkt an, dass Stuart in einer schlechten Stimmung gewesen sein muss, als sie mich abgeholt hat. Ich denke nur: „Schlechte Stimmung? Er war wie immer“. Die beiden beschreiben Samira meine Gasteltern in gewohnter british understatement Marnier der Australier mit „different“. Sie hätten selbst keine Kinder, würden keinen Urlaub machen und überhaupt nicht herumkommen. Es ist wirklich hilfreich, eine Einschätzung von außen zu haben und ich muss doch sagen, sie bestärkt mich ein wenig in meinen Ansichten.
Als wir im Begriff sind zu gehen, frage ich Kim „What do you get for that food?“ und sie guckt mich nur verständnislos an. Ich frage erneut, sie braucht einen Moment, dann antwortet sie: „It’s ok“.
Im Auto, während Samira und ich auf Kim warten, die für zwei Minuten in ein Haus gegangen ist, wechseln wir einige deutsche Worte. Ich erfahre, dass sie sehr zufrieden mit ihrer Gastfamilie ist. Sie kann ihre Gastgeschwister mit einem der motorbikes der Familie von der Bushaltestelle abholen und vor allem bekommt sie jeden Morgen und Abend einen Kuss und eine Umarmung. Ich glaube, nein, ich weiß, dass das das erste Mal ist, dass ich seit der Begrüßung durch Jill am Flughafen dieses Wort schreibe und ich glaube, das ist schon ein wenig bezeichnend.
Kim fragt, ob ich noch bei Jill vorbeischauen müsse und ich verneine. Dabei fällt mir auf, dass wir Deutschen dazu tendieren, „yet?“ zu fragen anstelle von „now?“ und zwar, wie Samira Kim ganz einleuchtend erklärt, weil wir das deutsche Wort „jetzt“ haben. Mir fällt ein, dass ihr zuvor das gleiche mit dem Wort „smell“ anstelle „taste“ für „schmecken“ passiert ist.

Zurück auf der Farm (ich war gerade dabei, ‚zu Hause‘ zu schreiben, als ich mich umentschieden habe), es regnet immer noch, bietet Kim mir an, ich könne gerne einmal herüberkommen, wenn ich von zwei kleinen Kindern gepiesackt werden wollen würde. Und ich glaube, sie hat mir angesehen, dass ich das nur zu gerne würde.

Der Regen hört bald auf, aber ich bleibe drinnen. Mir ist heute wirklich nicht nach Kälber füttern zumute. Als Jill nach Hause kommt, gibt sie mir die Toastverpackung, die seit Tagen in der Küche steht und mit Abfällen gefüllt wird, und bittet mich, damit die Hühner zu füttern.

Hühner

Und sie bittet mich, die Pferde auf den gegenüberliegenden Paddock umzustellen. Das kleinere, helle Pferd heißt übrigens „Chester“, das andere „Firework“.

Chester

Firework

Chester

Und wo ich schon einmal draußen bin, bringe ich auch gleich das Papier, das in der Eile heute morgen seinen Platz in einem meiner Gummistiefel gefunden hat, in die Tonne.

Die Nachfrage bei der Schule in Deutschland ergibt unterdessen, dass ich meine Verpflichtung, ein geisteswissenschaftliches Fach zu belegen, mit ein wenig gutem Willen der Schule hier leicht erfüllen kann: Ich werde einfach darum bitten, Business Management im Zeugnis als Economics and Politics oder so ähnlich eintragen zu lassen. Politik soll mein drittes Prüfungsfach werden und inhaltlich ist das wohl so ziemlich auf einem Level – ob ich jetzt die Lehre darüber, wie man einen kleinen Betrieb führt, Business Management oder Volkswirtschaftslehre nenne, erscheint mir nicht wirklich relevant.

Als die beiden mitdem Melken nachezu fertig sind, hole ich noch ein wenig Holz. Jill sagt, es würde eine kalte Nacht werden und ich habe es dann doch ganz gern ein wenig warm. Der Wetterbericht sagt, heute morgen sei in Sydney der kälteste Morgen seit 21 Jahren gewesen. Und ungefähr so habe ich mich in den letzten Tagen auch gefühlt.
Auf dem Weg, Holz zu holen, entdeckt Jill die Toastverpackung von vorhin; ich hatte sie am Zaun festgeklemmt, um die Hände für die Pferde freizuhaben. Blöde Sache, das.

Beim Studium des student planners stoße ich auf diverse Seiten mit Gesundheitsempfehlungen. Sogar eine der Schulregeln besagt, dass im Sommer in den Pausen und bei allen anderen Aktivitäten, die draußen stattfinden, eine Kopfbedeckung getragen werden muss – verpflichtend. Überhaupt habe ich das Gefühl, dass Schule in Australien mehr erziehen soll als in Deutschland.

In der Fernsehwerbung fällt mir heute ein interessanter Spot auf: Eine Sterbeversicherung wird angepriesen, ein sehr authentisch wirkender Herr fortgeschrittenen Alters macht auf die Vorteile aufmerksam. Irritierend fand ich nur den Hinweis auf die 30-Tage-Geld-zurück-Garantie.

Abends wieder Big Brother und ich gehe ins Bett. In Gedanken an den Tag und an alle, die noch kommen mögen.

arrival orientation

Sonntag, den 15. Juli 2007

5.45 Uhr. Der Wecker klingelt, obwohl ich schon – wie üblich – aufgewacht bin, als Stuart und Jill zum Milken gegangen sind. Und das ist schon eine Weile her. Heute ist die arrival orientation in Melbourne. Sie beginnt zwar erst um 10 Uhr, aber weder Jill noch Stuart können mich dorthin bringen, weil sie auf der Farm zu tun haben. Dafür nehmen mich die Gasteltern einer anderen Austauschschülerin, die auch mit mir geflogen ist, mit.
Um zwanzig vor sieben ist Abfahrt nach Shepparton, Jill kommt gegen viertel vor hektisch zum Haus gelaufen und muss dann aber nochmal kurz hinein und dann soll Miss, eine der Hündinnen, noch ihr Geschäft verrichten. Ich finde es wirklich erstaunlich, dass sie das auf den Befehl „go to toilet“ auch anstandslos tut. Sofort.
Kurz nach sieben Uhr kommen wir in Shepparton an und weil noch nicht alle fertig sind, werde ich noch hinein gebeten. Ich sehe Lara wieder, neben der ich schon in Frankfurt im Vorbereitungsseminar eine Zeit lang saß. Und ich sehe Hanna(h?) und Tim, die zwei Kinder der Familie. Und zwei äußerst zuvorkommende Eltern. Wieder zwei Australier ohne diesen mürrischen Blick, den Stuart meist aufsetzt. Hat doch auch was irgendwie, so ein paar freundliche Gesichtszüge.
Und ich muss wieder an den Spruch „it’s not better, it’s not worse, it’s just different“ denken. Lara hat ein warmes – aufgeräumtes – Haus, einen Pool, zwei Pferde direkt nebenan und was weiß ich, was noch alles. That’s life.
Die Fahrt nach Melbourne nutzen Lara und ich, um ein paar deutsche Worte zu wechseln, während alle anderen schweigend die wechselnd gute Aussicht genießen. Ich bemerke erstaunt, dass der drive in in Australien nicht drive in, sondern drive through heißt – was ja irgendwie auch wesentlich sinnvoller ist.

BurgerKing Drive-In auf Australisch

Vielleicht traut man uns Deutschen nicht zu, zu wissen, was das Wort „through“ bedeutet und hat es deshalb abgeändert? Und ich sehe wieder einmal einen ALDI. Wenn ich Zeit habe – und auch irgendwen, der ein Auto hat und der auch Zeit hat – muss ich unbedingt einmal dort hineinschauen und gucken, was dort so angeboten wird.Als wir schließlich ankommen, sind wir just on time, als wir das Universitätsgelände betreten. Unser Weg führt uns, ganz ohne jeglichen Wegweiser durch ein Eingangsgebäude und einen Innenhof in ein alterwürdiges Gebäude mit viel Holz
Die arrival orientation selbst gestaltet sich in gewohnter Seminarmarnier – sei es nun Eltern-, Vorbereitungsseminar oder sonst ein anderes. Nach einer Begrüßung geht es in die Gruppenarbeit. Diesmal sollen wir eine Karte von Australien zeichnen. Mein Sitznachbar, auch ein Deutscher, zeichnet ganz exzellent die Küste und hilft mir dann, die Staaten und Territorien einzuzeichnen. Auf der anderen Seite von mir sitzt eine Schwedin, die sich an einigen Hauptstädten versucht. Einige Austauschschüler weiter und einige Runden später ist die Karte noch immer nicht fertig, aber wir werden angehalten, zum nächsten Teil der Veranstaltung zu kommen.

arrival orientation

Außer den verschiedenen Gruppenarbeiten (mit gemischten Nationen und auch sortiert) gibt es noch Lunch: Sandwiches und eine Art Jugendherbergssaft mit einem ganzen Haufen Eis. Man stelle sich das vor: Ich sitze dort im Pullover ungefähr sechs Meter von der Tür entfernt und wünsche mir nicht sehnlicher, als dass man sie schließt.
Was wir außerdem noch taten, war genau wie das, was wir in Frankfurt vor der Abreise taten – wir schrieben einen Brief an uns selbst und taten ihn in eine „Zeitkapsel“. Ich zog es vor, das Programm der orientation in die Kapsel zu tun, vielleicht kann ich ja bei dem Treffen vor der Abreise etwas damit anfangen.
Außerdem gibt es noch einen Vortrag über allerlei australische Gegebenheiten von einer Dame, die uns mit einem amerikanischen Akzent Abwechslung beim Zuhören verschafft, dafür aber derart laut in ihr Mikrofon spricht, dass unsere Trommelfälle diese Abwechslung nicht wirklich genießen können. Sie stellt das Schulsystem als ein Schulsystem vor, das ausschließlich aus Gesamtschulen besteht. Die Kurse seien üblicherweise in der Größe zwischen 24 und 26 Schülern, mehr als 26 sei zumeist per Gesetz verboten. Koorperatives, individuelles Lernen sei meist anstelle von Frontalunterricht an der Tagesordnung. Klingt wie die Qualitätsmerkmale für gute Schule in Niedersachsen.
Einige Tipps gibt man uns mit auf den Weg, beispielsweise den Antrag für eine spezielle Karte, mit der Schüler und Studenten Vergünstigungen in Bus, Bahn und an anderen Orten erfahren können. Macht allerdings natürlich nur Sinn, wenn ein Bus oder eine Bahn in der Nähe abfährt, beziehungsweise überhaupt irgendetwas in der Nähe ist. Sollte man dann doch mal die Möglichkeit haben, einen Bus zu benutzen und würde seine Füße auf den gegenüberliegenden Sitz stellen, so koste einen der Spaß gleich einmal 100 australische Dollar. Wir sollten also nach Möglichkeit davon absehen.
Unsere Versichertenkarte der medibank sollten wir bereits in den letzten Tagen erhalten haben, was bei einigen auch der Fall war. Ich vermute, zu uns braucht die Post länger. Dann bekamen wir noch ein Codewort für absolute Notfälle für Anrufe bei der SCCE-Hotline. Das students handbook zählt auch einige Szenarien auf, für die es gedacht ist: Häusliche Gewalt und sexuelle Übergriffe. Der vortragende managing director von SCCE nannte außerdem alles, in das die Polizei verwickelt sei oder im Begriff sei, verwickelt zu sein, einen Grund, das Codewort zu nennen. Bei der Drucklegung des students handbook schien allerdings noch ein anderes Codewort aktuell gewesen zu sein. Und alle, die es noch nicht gelesen haben, sondern es vielleicht später tun werden, werden wohl ein wenig verwundert sein. Das mag in den allermeisten Fällen gutgehen, aber in den wenigen, in denen es das nicht tut, können die Auswirkungen katastrophal sein.
Und dann habe man noch eine Ausfertigung der SCCE-Regeln für uns. Eine ganz tolle Sache, diese Regeln. Nur, dass wir sie schon mindestens zwei Mal hier in Australien bekommen haben und die STEP IN-Regeln sehr ähnlich sind. Ein Österreicher an meinem Tisch hatte sie sogar sage und schreibe acht Mal erhalten.

Neben dem Seminarprogramm und den Gruppenfotos ist noch gut Zeit, sich mit den anderen Austauschschülern zu unterhalten. Und ich muss sagen, das ist eigentlich der wesentlich interessantere Teil der gesamten Veranstaltung. Und es stellt sich dabei heraus, dass alles „just different“ war. Von 10-Monats-Austauschschülern, die ihre Zeit in Australien auf fünf Monate reduzierten und welchen, die direkt im Haushalt des managing directors von SCCE untergebracht waren („nur für ein paar Wochen“) bis hin zu welchen, die jeden Tag bis elf Uhr schliefen, welchen, die vier Gastgeschwister haben oder welchen, die die vergangenen drei Tage nahezu ausschließlich mit Shoppen mit ihren Gastmüttern verbracht haben, ist alles vertreten. Wenn ich erzähle, dass ich auf einer Farm bin, sind die meisten Austauschschüler zunächst begeistert gewesen („Oh, eine Farm! Wie cool!“), wenn ich dann aber berichte, wie ich morgens, wenn die anderen noch schlafen, Holz hacke und dass wir keine Heizung haben, sondern nur einen Kamin, legt sich die Begeisterung schnell, was ich auch nicht sehr verwunderlich finde offen gestanden.

Nach der arrival orientation treffen wir noch Freunde der Gastfamilie von Lara in einem Cafe in Melbourne. Und mir geht wieder einmal auf, dass das Treffen von verschiedenen Australiern und das Sehen verschieder Plätze von Australien etwas ist, das mir hier fehlt. Ebenso werde ich nicht mit meiner Gastfamilie in den Urlaub fahren, so wie es mindestens eine handvoll Austauschschüler, mit denen ich gesprochen habe, tun.
Während des Gespräches stellt sich heraus, dass die Australier anscheinend keine Salzstangen kennen. Ich suchte das Wort im Wörterbuch und erklärte es ihnen, aber Laras Gastmutter dachte an eine Brezel. Ich trinke eine heiße Schokolade. Eine ganz normale, während es in dem Cafe ungefähr zehn verschiedene CocoDrinks, also Kakaokreationen gibt. Als wir das Cafe wieder verließen, sah ich unter einem unauffällig im Vordach verborgenen, aber deutlich spürbaren Wärmestrahler jemanden mit einer Cola sitzen. Draußen. Mit Eis. Und ich war wieder einmal erstaunt, was für Sachen es doch gibt.

Auf der Fahrt zurück nach Shepparton holte der Schlaf mich ein, noch bevor wir auf dem Freeway waren. Wir machten an der selben Raststätte Halt wie am Mittwoch, als Jill mich vom Flughafen abholte. Obwohl ich im Auto sitzen bleibe, weil mir kalt ist und ich gerne schlafen möchte, bekomme ich etwas zu Essen: Laras Gastmutter bringt einen Becher (Becher, nicht Tüte!) Pommes Frites mit, den wir Kinder uns teilen. Danach schlafe ich irgendwann wieder ein, bis Lara mich antickt, als wir gerade in die Einfahrt einbiegen.
Wir gehen ins Haus und es ist ein wenig kalt. Laras Gastvater macht die Heizung (anscheinend eine in der Wand eingelassene Gasheizung) an und ihre Gastgeschwister versuchen sich gegenseitig den Platz davor streitig zu machen. Dann geht plötzlich das Licht aus. Zuerst denken wir an einen Stromausfall, aber dann fällt uns auf, dass die Uhr am Ofen und an der Mikrowelle noch an sind. Tim und sein Vater gehen gucken und wenig später funktioniert wieder alles, wie es soll.

Um es noch ein wenig wärmer zu kriegen, machen wir den Ofen an. Interessantes Wort übrigens, das „wir“. Habe ich das eigentlich schon mal im Bezug auf Jill und Stuart benutzt? Es ist nicht so, dass ich daran beteiligt gewesen wäre, es ist nur das Wir-Gefühl. Just something to think about.
Interessant ist auch, dass das Holz gemeinsam geholt wird – von Laras Gastschwester und ihrem Vater. Als das Feuer lodert, kommt Tim herein und bringt uns alle zum Lachen, als er unvermittelt fragt: „Does anyone just wanna play Poker?“. Er, Lara und ihr (Gast-)Vater beginnen eine Runde zu spielen und für meinen Geschmack viel zu früh steht plötzlich Stuart im Wohnzimmer. Ich hätte gerne noch ein wenig bei ihnen verweilt, aber bis zu dem Zeitpunkt, als Stuart es dann erwähnte, wusste ich nicht, dass auch ich morgen keine Schule haben würde.

Als ich später von dem Tag erzähle, meint Jill noch „and you don’t have anyone here“. Abends denke ich darüber nach. Es ist schon irgendwie ein komisches Gefühl. Nicht, dass ich Heimweh hätte. Es ist nur … einerseits die Kälte. Und dann auch noch die Kälte.
Erwähnte ich schon, dass Stuart, als ich die Pläne meines Amateurfunkfreundes, am Samstag einmal vorbeizusehen und sich vorzustellen, mitteilte, gleich Gedanken kundtat, ob er nicht vielleicht ein Terrorist sei? Eine sehr tolle Sache, solche Kommentare, wenn man gerade dabei ist, herauszufinden, was Normalität für seine Gastfamilie bedeutet.

endlich down under

Mittwoch, den 11. Juli 2007

Es ist fünf Uhr Ortszeit, als wir in Sydney landen. Wie oft in den letzten zwei Tagen die Sonne auf und unter gegangen ist, darüber zerbreche ich mir schon seit einiger Zeit nicht mehr den Kopf. Im Flugzeug herrschte ohnehin ein einiger Tages- und Nachtrhythmus, nur unterbrochen durch mal mehr, mal weniger gutes Flugzeugessen.
Als wir in Sydney am Flughafen aussteigen und uns durch den Zoll begeben (eine absolut unkomplizierte Angelegenheit übrigens, ich musste trotz umfangreichem technischem Equipment mit Laptop, Festplatten, Kamera und Funkgerät mein Handgepäck nicht öffnen), nennt mich einer der Zollbeamten „mate“ und ich weiß: Hey, du bist in Australien!
Dann erwarten uns eine Frau und ein Mann von Southern Cross Culture Exchange (SCCE), der Partnerorganisation von STEP IN in Australien. Zwei von uns stehen sogar mit Namen auf ihrem Schild, sie fliegen jeweils mit einem Einzelflug weiter. Noch einmal jemand anders ist gar mit einem mehrtätigen Aufenthalt gestraft, weil die Buchung etwas suboptimal gelaufen ist. Wieder andere finden ihre Gastfamilie in Sydney und werden von ihr abgeholt. Die meisten von uns aber haben noch einen mehrstündigen Weiterflug vor sich – nach Melbourne, Adelaide, Perth oder in eine der anderen größeren australischen Städte.
Ich für meinen Teil fahre nach dem Check-in mit einer Gruppe von ungefähr 20 Steppies mit einem Shuttlebus zum Terminal, von dem aus die Maschine Richtung Melbourne abhebt. Auch an diesem Terminal erwartet uns wieder jemand von SCCE. Wir haben noch einige Stunden Zeit vor uns und so lassen wir uns am Abfluggate nieder, essen, hören Musik und schauen der Zeit in unseren Gastfamilien entgegen. Ich wechsele einen Teil meines Bargeldes in australische Dollar um, putze meine Zähne und ziehe das STEP IN-T-Shirt an. Um 8 Uhr australischer Zeit stimmen wir ein verhaltenes „Happy Birthday“ für einen unserer Mitreisenden an, der Geburtstag hat. Viel zu schnell geht es nur eine gute halbe Stunde später ins Flugzeug, eine kleinere Maschine mit 2-4-2 Sitzen.

Blick aus dem Flugzeug

Ich setze mich auf meinen Platz, die Kamera zwischen meinen Füßen. Dann hebt wohl die Maschine ab, genau sagen kann ich es nicht, aber als ich wieder aufwache, befinden wir uns bereits auf unserer Reiseflughöhe.

Blick aus dem Flugzeug

Der Flug vergeht schnell in einer Art Dämmerzustand, ein Muffin und ein Kaltgetränk werden gereicht, bevor wir dann in Melbourne landen. Direkt am finger holen uns unsere Gasteltern ab. Ich stelle mich in altbekannter Marnier hin und gucke ein wenig umher, in der Hoffnung, dass meine Gastfamilie mich findet. Und das tut sie auch, Jill kommt auf mich zu und begrüßt mich (Um ab dieser Stelle die ausstehende Frage aller angehenden Gastschüler zu beantworten: Umarmung). Stuart ist zu Hause, aber sie hat Mel mitgebracht, einen Freund der beiden. Dann bemerkt Jill wie auch viele der Steppies meinen Reithelm. Wir holen mein Gepäck vom Band, ich verabschiede mich noch von einigen Mitreisenden und dann geht es ins Parkhaus.
Und dort fängt der Spaß erst an, Jill weiß nämlich nicht mehr, wo das Auto ist. Glücklicherweise erinnert sie sich aber noch an das Stockwerk und Mel weiß noch sicher, dass es vom Fahrstuhl aus gesehen am Ende der Reihe stand. Wir laufen nur zwei Mal falsch, bevor wir es dann finden. Jill erzählt mir, dass ich Glück mit dem Wetter habe, am Tag zuvor seien viele Flüge aufgrund von Nebel extrem verspätet angekommen.
Durch den ungewohnten Linksverkehr geht es dann in Richtung Farm. Ich sitze in einem Auto, dessen Tacho nur bis ungefähr 180 km/h geht und wir fahren auch entsprechend, aber die Tempolimits lassen nichts anderes zu und Jill zeigt sich sehr erstaunt davon, dass es in Deutschland Strecken ohne Tempolimit gibt. Unterwegs stoppen wir noch einmal zum Tanken. Jill verspürt Hunger und so nehmen sie und Mel ein Sandwich ein. Wir treffen einen anderen Austauschschüler von STEP IN, der mit seinen Gastgeschwistern und -eltern ebenfalls eine Pause einlegt. Dann geht es weiter, nun mit der Sonnenbrille auf der Nase, denn die Sonne ist wirklich grell. Die anfängliche Neugierde macht langsam dem Schlaf Platz. Wir bringen Mel nach Hause und ich nicke von Zeit zu Zeit ein, bis wir uns der Farm nähern. Jill weist plötzlich auf eine Herde Kühe und sagt, das hier sei bereits ein Teil der Farm. 160 von ihnen werden gemolken, insgesamt sind es ungefähr 300 Tiere. Wir fahren an den zwei oder drei Pferden vorbei, dann hält das Auto und wir steigen aus. Am Eingang liegt Rusty, einer der Arbeitshunde und begrüßt mich freundlich. Drinnen erwarten mich zwei weitere Hunde. Jill erläutert mich einige Regeln des Zusammenlebens (unter anderem eine Schokoladenregel, die ich noch immer nicht ganz verstanden habe) und dass ihre Nichte und ihr Neffe sie heute besuchen kommen würden.

Ich habe mein eigenes Zimmer. Die Farbgebung ist geringfügig gewöhnungsbedürftig, es ist Jills Mädchenzimmer und auch vor mir hat ein Mädchen in ihm gewohnt. Aber ich denke, ich werde mit ihm zurechtkommen.
Dann lege ich mich einige Stunden für ein Nickerchen hin und erwache, als zwei weitere Hunde durch das Haus toben, nebst vier weiteren Menschen. Es ist der erste Tag in Australien, ich bin müde von drei Stunden Fahrt und fünf fließend Englisch sprechende Leute sitzen um mich herum…
Am Abend wird deutlich, dass es Winter in Australien ist. Ich wache gegen 16 Uhr auf und mir ist kalt. Ich ziehe bei dem zeitweise flackerndem Licht meiner Deckenlampe einen Pullover über und setze mich an den Ofen und gucke Fernsehen auf dem Flatscreen-Fernseher. Später genieße ich eine Dusche (obwohl die Dusche dafür eigentlich viel zu klein ist) und fluche über die Armaturen, die nicht nur getrennte Heiß- und Kaltwasserhähne haben, sondern darüber hinaus auch noch kein Ventil zum Regulieren des Wassers, wenn man die korrekte Einstellung für die Temperatur einmal gefunden hat.
Ich will zu Hause Bescheid geben, dass ich gut angekommen bin, aber ich erreiche nur den Anrufbeantworter. Wenigstens ist mir auch dessen Stimme vertraut.
Und dann sinke ich in mein Bett mit der Erkenntnis, dass „bloody“ nach den Artikeln und Konjunktionen wohl das in Australien am häufigsten gebrauchte Wort sein muss…

„are you still coming to Oz?“

Samstag, den 23. Juni 2007

Uuups, das war wohl ein bisschen zu lang… Habe eine ganze Zeit lang nichts mehr von mir hören lassen bei meinen Gasteltern.

Jill schreibt, sie hätten ein bisschen mehr Regen im Moment, alles sei grün. Die Kühe würden bald beginnen zu kalben und Jill müsste im Moment in Vollzeit bei den Tierärzten arbeiten während eine der anderen Helferinnen weg sei.
Die Pferde hielten Ausschau nach jemandem, der sie reitet und ihnen Aufmerksamkeit widmet und ein Freund der beiden bekäme eine Austauschschülerin aus Deutschland, die auch leidenschaftlich Reiterin sei – er habe allerdings keine Pferde, weshalb sie mit mir reiten würde, wenn ich wolle…

Schuldbewusst habe ich Jill gleich eine etwas längere Mail geschrieben. Und ihr ein bisschen erzählt, was ich in den letzten Wochen so alles getan habe – und das war so einiges…


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