Monatsarchiv für Juli 2007

live changes … everyday

Dienstag, den 31. Juli 2007

Heute morgen höre ich die anderen aufstehen, bleibe aber noch liegen bis um viertel nach acht.
Dann gibt es wieder die übliche Morgenration Internet, erst später zwei Toasts zum Frühstück – und zwei von diesen leckeren selbstgebackenen Keksen. Was auch immer in ihnen sein mag und wie gesund es auch immer sein mag (Vielleicht ist ja Pepsi darin? Kleiner Scherz am Rande.), schmecken tun sie.
Jol kränkelt noch immer und liegt im Bett. Das Telefon klingelt einige Male, keiner von uns geht ran. Der Hund bellt und als ich ihn hinte rauslasse, läuft er in den Vorgarten und bellt ein Auto auf der Straße an. Ich rufe ihn durch die Vordertür wieder hinein und gehe zurück an den Laptop.

Einige Zeit später klingelt es an der Tür und ich gehe hin. Ein freundlicher Mann steht dort und wie ich nach kurzer Nachfrage verstehe, ist er wegen des Telefons hier. Er habe irgendetwas daran repariert und würde jetzt noch einen Test durchführen. Mmh, schön. Ich setze mich wieder an den Computer. Dann klingelt das Telefon erneut, ein Anruf von einem Handy. Diesmal gehe ich ran und es ist der Telefonmensch. Er wolle nur kurz testen, ob es auch wirklich geht und würde noch einen Zettel im Briefkasten hinterlassen.

Ich sehe nach der Post im Briefkasten. Und zum ersten Mal ist etwas für mich dabei: Meine neue SIM-Karte steckt in einem ExpressPOST-Umschlag. Ich nehme sie mit rein, packe sie aus. Auf meinem derzeitigen Konto sind allerdings noch gut zwei Dollar, die ich ungern verschenken möchte und deshalb wird die Aktivierungsprozedur wohl noch ein wenig warten müssen.

Dann nehme ich mir etwas Zeit, um einige Tagesberichte, die nur als Sprachnotizen und Erinnerungen in meinem Kopf existieren, in eine allgemein lesbare Form zu überführen.

Jol geistert durch das Haus, isst etwas und schiebt eines der Sofas zum Computer, um dann Musik zu lauschen. Rush kommt gegen halb vier nach Hause. Als sie die „Big Brother“-Aufzeichnung von gestern anguckt, realisiere ich, dass das das letzte Mal für eine lange Zeit sein wird. Denn gestern hat Alisha die aktuelle Staffel gewonnen – mit 51 Prozent der Stimmen.

Ich setze mich noch einmal für einen Moment an den Computer, schließlich beginnt in Deutschland langsam der Tag. Und erfahre, dass es andere Austauschschüler gibt, die nicht nur mit ihrem Biologiekurs an den Strand fahren, sondern auch mit dem Sportkurs ins Fittnisscenter und mit dem Entertainmentkurs ins Theater (ja, dich meine ich!). Allerdings – gar keine Schule ist natürlich auch eine interessante Alternative. Und ich muss meine Erinnerungen nicht im school diary (auch student planner genannt) aufschreiben, sondern kann sie direkt am Laptop verfassen.

Als Charlotte nach Hause kommt, erzählt sie mir, dass die Familie, bei denen wir gestern waren, mich gerne aufnehmen würde. Sie könnten aber nicht, wenn der Armbruch des Vaters ausgeheilt ist, werden sie einen Großteil der Woche in einem anderen Ort verbringen und das sei nicht die Art von Familienleben, die sie einem Austauschschüler gerne präsentieren würden.
Charlotte will mich deshalb bei Bekannten in Echuca unterbringen, bei einer Familie, die sie schon kennt, seit Kim klein war. Und Kim ist jetzt 21. Wir haben nämlich nicht mehr viel Zeit, in zwei Wochen gehts für die Familie in den Urlaub. Und weil es einige Zeit dauert, den Papierkram zu erledigen, der notwendig ist, um eine Familie zu einer Gastfamilie bei SCCE zu machen, möchte sie auch nicht mehr abwarten, bis am Donnerstag ein Aufruf in einem der Schulrundbriefe erscheint.

Grant kommt nach Hause und ich helfe ihm, das Abendessen vorzubereiten, indem ich einiges Gemüse in Scheibchenform überführe. Es gibt Nudeln und Hühnchen – mit eben diesem Gemüse.

Beim Abendessen frage ich Charlotte, ob es uns helfen würde, mehr Zeit zu haben. Und ob es helfen würde, wenn ich zunächst einige Wochen bei Jerren wohnen würde, während sie im Urlaub ist und wir eine neue Familie suchen. Das Problem sei, so Charlotte, dass ich bereits die Familie gewechselt habe und SCCE es nicht gern sähe, wenn ich in den nächsten fünf Monaten – also bis Dezember – erneut die Familie wechselte.
Ich rufe Jerren an und schildere ihm die Lage. Er sagt, sie hätten bereits darüber nachgedacht, mich aufzunehmen. Allerdings ginge das nur so lange, wie die älteste Tochter außer Hause verweilt – zum Studieren in Melbourne. Also bis November.
Ich spreche mit Charlotte und sie sagt, das sei schon in Ordnung. Wenn ich einmal bei Jerren wohnen und in der Schule wäre, würde ich Leute kennenlernen, die mich von Dezember bis April aufnehmen könnten. Und ich denke darüber nach, dass das eigentlich eine ganz gute Sache ist: Ich habe bislang für zwei Wochen das Leben auf einer Farm kennengelernt, drei Wochen werde ich bei Charlotte verbracht haben, dann einige Monate bei Jerren und einige in einer ganz anderen Familie. Das ist ungefähr das Prinzip, dass auch Rotary verfolgt und es gefällt mir, sehe ich so doch einen recht schönen Durchschnitt durch die australischen Familien in dieser Gegend.

Charlotte ruft Jerren an und spricht einige Minuten mit ihm. Dann fragt sie mich, ob ich nicht auf einen drive mitkommen wollte – ich frage: „Where to?“ und sie meint, zu Jerren. Natürlich will ich das und wir fahren dorthin. Berenice macht die Tür auf und lässt uns hinein. Ich ziehe, schon aus Gewohnheit, meine Schuhe an der Tür aus und wandele auf Socken ins Wohnzimmer.
Charlotte hat den Gastfamilien-Interviewbogen mit und auch den Fragebogen für Gastfamilien. Sie erklärt Jerren und Berenice den grundlegenden Ablauf und beantwortet ihre offenen Fragen. Cathleen spielt auf der anderen Seite der Küche einige Takte auf der Gitarre und winkt herüber.
Die beiden werden den Fragebogen heute Abend ausfüllen und morgen an Carmel, die Koordinatorin für Victoria, faxen. Auf dem Weg zur Haustür stellt Berenice noch Cathleen und Clarice vor. Charlotte fragt die beiden, ob sie auch wollten, dass ich zur Famile gehöre – sie bejahen. Und Berenice erzählt, dass die größte im Bunde gesagt habe, ich müsse umbedingt.
Ich fahre mit einem ausgesprochen guten Gefühl nach Hause. Mit einem Gefühl, in ein Haus, das schon mein zu Hause ist, bald jeden Tag einkehren zu dürfen. Und ich erzähle Charlotte, dass ich es meinem Hund verdanke, diese Gastfamilie gefunden zu haben. Denn ohne meinen Hund hätte ich niemals den Amateurfunker kennengelernt, der mir das Hobby nahegebracht hat und ohne das Hobby würde ich Jerren nicht kennen.

Wieder angekommen fülle ich mit Charlotte gemeinsam den Interviewbogen aus. Auch er wird morgen seinen Weg in das Büro von SCCE in Melbourne finden.
Morgen wird hoffentlich mein Handy ankommen. Ich frage Charlotte, wann die Post kommt und sie meint, montags und dienstags sei sie üblicherweise spät (also so gegen 14 Uhr) da, mittwochs zwischen 11 und 14 Uhr, donnerstags und freitags meist früh gegen elf Uhr.
Dann schaue ich noch einmal in mein E-Mail-Postfach und informiere meinen Vater über die aktuellen Ereignisse, während im Fernsehen NCIS läuft. Danach kommt Numb3rs – und danach mein Bett.

Neues Zuhause, neue Wirkungsstätte

Dienstag, den 31. Juli 2007

Meine neue Gastfamilie, die mich bis November aufnehmen wird, ist diesmal eine richtige Familie: Vater, Mutter, drei Kinder. Zunächst einmal ist da Jerren, den ich als Funkamateur schon einige Monate vor meiner Abreise über das Internet kennengelernt habe. Und Berenice, seine Frau. Beide sind Juwelliere, beide vor 26 Jahren aus Europa eingewandert. Zusammen haben sie drei Kinder: Das jüngste ist Clarice, sie geht in die achte Klasse und interessiert sich für Skateboarding. Dann kommt Cathleen, die in die zwölfte Klasse geht und damit hoffentlich am Ende dieses Jahres die Schule beendet. Und Peggy, die in Melbourne studiert und deren Zimmer ich daher freundlicherweise bis November nutzen kann.

Mein neues Zuhause

Und tierische Familienmitglieder gibt es auch: Rabbit. Rabbit ist ein Kaninchen, gehalten wie ein Hund. Wohnt normalerweise draußen (und hat dort auch einen Stall), aber wird oft hereingelassen. Knabbert interessanterweise keine der Kabel der Funkgeräte in Jerrens Shack an.
Meine Schule ist die katholische Privatschule Notre Dame, deren Schulgelände sich direkt nebenan befindet. Auch Clarice und Cathleen besuchen diese Schule, was auch gleichzeitig der Grund ist, warum mich SCCE in einer Privatschule platziert.

Kommt Zeit, kommt…

Montag, den 30. Juli 2007

„Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Familie“ – diese Überschrift dürfte einigen bekannt vorkommen. Aber vielleicht ist sie ja bald angebracht. Doch dazu später mehr.

Der Tag beginnt für mich heute um drei Minuten vor neun. Ich wache auf und überlege, wie spät es wohl sei. Im Haus ist es ruhig, ich höre nur die Heizung. Und meinen Heizlüfter, den ich angeschaltet habe, als ich zuvor kurz aufgewacht bin. Ich schließe daraus, dass es noch früh sein muss.
Als dann aber der Wecker klingelt und ich aufstehe – und merke, dass die Zimmer leer sind -, wird mir klar, dass mein Schlaf doch recht tief gewesen sein muss.

Als erste Amtshandlung an diesem Morgen, noch bevor ich über Frühstück nachdenke, versorge ich meinen Computer mit Strom und Internet. Dann versorge ich mich selbst mit Toast und Erdnussbutter, die richtig gut schmeckt, weil ich keine Butter benutze und die Toasts nach dem Auftoasten (sind sie doch aus dem Gefrierfach) auskühlen lasse.
Ich lasse die Katze in den Garten und auf der Suche nach dem Hund fällt mir auf, dass ich doch nicht allein im Haus bin, Jol liegt in Charlottes Bett und schläft. Es ist spät, ich vermute, sie ist krank.

Charlottes Katze

Den restlichen Vormittag und auch den Mittag verbringe ich am Computer. Bei eBay ersteigere ich ein Handy, das 6310i – ein Businessmodell von Nokia. Ganz ausgezeichnetes Modell, ich kenne drei Leute, die es besitzen und es in den höchsten Tönen loben. Und mit Versand (Express wohlgemerkt – aber das entspricht dem deutschen Standardversand) hier in Australien immer noch günstiger als in Deutschland ohne.

Um zwanzig vor eins vibriert mein Handy. Es ist Charlotte. Sie würde heute gegen viertel vor sechs nach Hause kommen, wir hätten nämlich um halb sieben einen Termin. Verschiedene Gastfamilien hätten sich gefunden – zwei in Echuca , eine in Shepparton und eine oder zwei weitere in Orten, deren Namen man erst auswendiglernen muss. Heute Abend würden wir der Familie hier in Shepparton einen Besuch abstatten.
Und sie spricht noch mit Jol und fragt, ob sie zu dem Vorbereitungstreffen für die Schulaufführung geht.

Als lunch ist heute Karottensuppe mit Brot (etwas dunkleres Toast) im Angebot. Das Brot im Toaster aufgewärmt und anschließend im Kühlschrank auf die richtige Temperatur gebracht. Ökonomischer Unsinn und Ressourcenverschwendung, aber halt bequem.

Ich hänge Wäsche auf die Leine und räume das Geschirr in den Schrank. Dann kommt Rush nach Hause und ich räume meinen Laptop weg. Ich gönne mir ein Nickerchen.
Als ich wieder aufwache, möchte mir Rush auf YouTube den Anfang von Las Vegas zeigen. Die ersten zehn Minuten hat dort jemand online gestellt, die Serie selbst startet in ein paar Tagen. Oder kommt vielmehr zurück.
Um halb sechs werden die beiden zu einer Probe für die Schulaufführung abgeholt. Und ich merke, wie ich langsam mit der Dusche besser zurechtkomme: Ich merke mir die Positionen für die zwei Hähne.
Im Fernsehen sehe ich in den Nachrichten, dass es doch einige Leute gibt, die Weihnachten im Juli feiern. Kuriose Sache, die auch in der englischen Wikipedia nachzulesen ist.

Dann kommt Charlotte nach Hause und wir fahren zu der potentiellen Gastfamilie hier in Shepparton. Das erste, was ich im Wohnzimmer bemerke, ist der Laptop auf dem Tisch. Er heißt Allan und hat zwei Töchter (5 und 8 Jahre), sie heißt Michelle. Der Sohn der beiden geht in die 8. Klasse. Es ist warm im Haus und draußen bellt ein Hund. Ich wäre der erste Austauschschüler in der Familie. Allan ist übrigens Feuerwehrmann. Charlotte und ich führen ein ausführliches Gespräch mit der Familie und die beiden behalten den Fragebogen für Gastfamilien da, um ihn über Nacht auszufüllen. Die beiden werden eine Nacht über die Entscheidung schlafen und sich dann wieder bei Charlotte melden.

Auf dem Weg zurück frage ich Charlotte, ob einer der beiden raucht. Michelle würde rauchen, sagt sie. Aber wir haben beide im Haus nichts gerochen. Klingt noch so gerade akzeptabel, auch wenn ich mich innerlich irgendwo dagegen sträube.
Zu Hause gehe ich noch einmal in ICQ online und genieße ein wenig Mousse au Chocolat. Charlotte friert noch ein wenig Hack aus. Und als ich um zehn nach neun Big Brother nicht mehr sehen kann, gehe ich ins Bett.

einer geht noch, einer geht noch rein

Sonntag, den 29. Juli 2007

Als ich zwei Minuten vorm Weckerklingeln aufwache, bin ich zum ersten Mal morgens richtig müde. Es ist zehn Uhr und außer mir sind schon alle wach.
Ich mache nichts halbes und nichts ganzes, esse ein wenig Frühstück, sitze ein wenig am Computer, bis mich Charlotte um viertel vor zwölf mitnimmt und bei Jerren absetzt. Die größte Tochter ist wie erwartet in Melbourne, die anderen beiden sind da. Jerren und seine Frau räumen im Shack einen Tisch frei, um Platz für meinen Laptop zu schaffen. Dann kriege ich ein Patchkabel in die Hand gedrückt und eine Steckdose und es kann losgehen. Endlich wieder richtiges Internet… Ich gucke mich weiter bei eBay nach einem Handy um.
Beim Aufräumen findet Jerren auch Informationsmaterial über die „Foundation License“, die niedrigste Amateurfunkgenehmigung hier in Australien, die nur mit industriellen Geräten arbeiten darf und auf 10 Watt EIRP und wenige Bänder beschränkt ist.

Dann fahren wir noch einmal ins Geschäft, weil die Arbeiten an dem Schaufenster noch immer andauern. Es wird ein wenig langweilig und ich vertreibe mir meine Langeweile am PDA. Irgendwann kommt Jerrens Frau vorbei – mit der jüngsten Tochter im Schlepptau. Sie nehmen mich mit und auf dem Rückweg legen wir noch einen halbstündigen Spaziergang um den See Sheppartons ein. Man sieht im deutlich an, dass sich Australien seit längerem in einer eher trockenen Periode befindet. Auch das Schwimmbad mit beheiztem Außenbecken ist wie ausgetrocknet. Dann fahren wir noch Einkaufen und ich muss mich mit Händen und Füßen dagegen wehren, Süßigkeiten geschenkt zu bekommen. Ich kenne jetzt wieder ein Stück mehr von Shepparton und gleichzeitig auch noch ein paar mehr Schulen, inklusive Notre Dame, der Schule direkt neben dem Haus von Jerren.
Zurück setze ich mich wieder an meinen Laptop, fünf Minuten später kommt auch Jerren an. Und bald gibt es Abendessen: Kürbis (grauenvoll, dass die Australier das so oft essen), Kartoffel, Fleisch (das etwas zäh ist und ein Experiment darstellt, wofür sich Jerrens Frau wiederholt entschuldigt) sowie sehr lecker schmeckendes Sauerkraut. Ein doch noch irgendwie europäisch gebliebenes Essen.
Und dann drängen die Töchter darauf, dass ich Vegemite probiere. Meine Gastmutter reicht mir einen Teelöffel voll (wäre es Zucker, würde ich von ‚gehäuft‘ sprechen), ich zwinge sie aber durch einen Blick dazu, daraus einen gestrichenen Teelöffel zu machen. Und lecke dann einmal daran. Was soll ich sagen – salzig und komisch, aber halt australisch. Und es gibt Tee. Leckeren Tee.

Dann gibts die Lokalrunde auf dem Amateurfunkrelais, ein Rundspruch wird verlesen und ich nehme an der anschließenden Danksagungsrunde teil als second operator. Zwischendurch gibt es noch Stollen und ein Glas Milch. Und ein bisschen Chat im Skype gibt es auch. Und in ICQ, auch wenn der Chat nach Deutschland aufgrund der Zeitverschiebung etwas verkompliziert wird.

Um viertel nach neun schickt mir Charlotte eine SMS: „Do u need me to come get u, chris“ – ich verneine. Um halb elf werde ich dann wieder von Fräulein Fahranfängerin nach Hause gefahren. Charlotte scheint schon zu Bett gegangen zu sein, es ist dunkel im Haus. Heute war ein schöner Tag, definitiv.

Reallife-QSO

Samstag, den 28. Juli 2007

Heute geht es früh(er) raus: Um acht Uhr stehe ich auf, damit Charlotte mich auch rechtzeitig um neun zu Jerren, dem Funkamateur fahren kann.
Als ich frühstücke teilt mir Charlotte allerdings mit, dass sie Grant zur Arbeit fahren müsse. Dann würde sie noch exercises machen und mich im Anschluss aufpicken. Mir ist noch nicht so ganz klar, was genau ich darunter zu verstehen habe. Ich weiß aber, was es für mich bedeutet: Ein wenig Computer, bis sie wiederkommt. Ich lese auf der Website des lokalen Amateurfunkortsverbandes, dass jeden Sonntag um halb acht Uhr abends der Rundspruch der WIA verlesen wird und montags um die selbe Zeit die Amateurfunk newsline aus den USA. Und aus meiner Heimat erfahre ich, dass das Relais DB0OSN in Osnabrück über eine Echolink-Anbindung verfügt. Klingt nach einem Draht nach Hause.
Dann versorgt mich Rush noch mit etwas Musik und als Charlotte wieder zu Hause ist, gestalte ich für sie einen Flyer, der nach einer Gastfamilie für mich suchen soll. Gegen 10 Uhr möchte sie wieder los, wir fahren allerdings zunächst zur Bibliothek, wo Charlotte (verflixt viele) Kopien des Flyers macht, dann fährt sie mich zu Jerren.
Von seiner Arbeit weiß ich nur, dass er gegenüber von McDonalds und der Feuerwehr arbeitet. Die Straße finden wir sofort und nachdem auch unser Auto einen Platz hat, suchen wir die Hausnummer. Ich erwarte irgendetwas alltägliches. Einen Elektronikladen, was auch immer. Aber keinen Juwellier.
Rush und Jol bleiben im vorderen Bereich des Ladens (Charlotte hegt Zweifel daran, dass sonst alles heile bliebe), während Charlotte noch ein wenig Smalltalk mit Jerren hält und ihm einen der Flyer überreicht. Dann geht sie wieder und lässt mich mit Jerren alleine; er wird mich später zu Hause absetzen. Nicht ganz alleine allerdings, seine älteste Tochter sitzt im hinteren Bereich des Ladens und erledigt Mathematik- und Chemiehausaufgaben. Viertel vor elf. Jerren zeigt mir ein Funkgerät, dass er im Laden stehen hat. CB-Funk, um eine einfache Verbindung in sein Haus zu haben.
Später kommt seine Frau vorbei, Berenice. Gegen 14 Uhr schließen die beiden den Laden. Ein wenig später als erwartet, denn im Moment wird gerade das Schaufenster umgebaut und solange die Werkzeuge im vorderen Bereich des Ladens stehen, kann das Gitter nicht heruntergelassen werden. Jerren und Berenice räumen die Auslagen in den Tresor, während ich mit den beiden anderen Töchtern etwas zu Trinken für das Mittagessen einkaufe. Die jüngere ist im achten Jahrgang, die ältere studiert in Melbourne und ist nur diesen Tag da; sie fährt morgen um sechs Uhr zurück.
Als wir auf den Parkplatz kommen, gibt es eine kleine Überraschung: Sie fährt einen Käfer. Es ist schon komisch; wir schreiben das Jahr 2007, ich bin am anderen Ende der Welt und – ich fahre zum ersten Mal in einem Käfer…
Im Supermarkt fragen mich die drei, wie man „Ferrero Küsschen“ ausspricht und weder ich noch mein Wörterbuch wissen die Übersetzung für Verniedlichungsform oder Verkleinerungsform. Wir holen noch ein Video aus der Videothek – für 50 Cent…

Dann fahren wir zu Jerren nach Hause, es ist ein anderes als das, was ich vor ein paar Tagen als das vermutliche Heim Jerrens ausgemacht habe. Und dort steht ein weiterer Käfer. Und eine Motorhaube auf einem Anhänger, die eine Beule bekommt, als der Haustürschlüssel auf ihr landet. Aber das macht nichts, schließlich hat diese Motorhaube schon schlimmeres erlebt; die älteste der drei hatte vor einiger Zeit einen Disput mit irgendetwas, was augenscheinlich stärker war als ihr Auto.

Auf dem Dach sind so einige Antennen, soweit ich das in der langsam einsetzenden Dämmerungen ausmachen kann. Wir gehen ins Haus und gucken den Film Hot Fuzz, den wir auf dem Nachhauseweg noch aus der Videothek mitgebracht haben. Das Haus ist groß und warm, obgleich mir keine Heizungen auffallen (vielleicht eine Fußbodenheizung?). Mir ist nicht kalt, obwohl ich nur Socken trage.
Nur wenige Minuten später kommen Jerren und seine Frau nach Hause und bringen Pizza mit. Interessante Geschmacksrichtungen, eine ist mir absolut unbekannt, auf einer anderen Pizza kann ich zumindest den Schinken identifieren. Um fünf schickt mir Charlotte eine SMS: „R u coming home for t“ und ich antworte ihr, dass ich gerne noch etwas bleiben würde – „Ok, just b home before midnight if u need a ride give me a ring“. Das ist doch mal nett.

Als der Film zu Ende ist, zeigt mir Jerren seinen Shack, vollgestopft mit Transceivern und blinkenden Routern (inklusive Wireless-LAN). Und er hat mir Informationen über einen günstigen Internetzugang und über den Mobilfunkprovider iSIM, der deutlich günstiger ist als Telstra.
Und er zeigt mir einige Fotos, unter anderem von Pferden, die unweit von Charlottes Haus auf einer Weide stehen. Dann bittet er mich nach draußen und zeigt mir, was in der Garage steht: Noch ein deutsches Auto, ein BMW. Faszinierend. Ach – und ganz nebenbei: Das Waschbecken im Bad ziert nur ein Hahn anstelle von zweien.
Die Techniksession unterbreche ich für einige Minuten, um mit den Mädchen Tischtennis zu spielen und mich mit der ältesten von ihnen über Fernsehserien zu unterhalten. Und ich hole mit ihr die mittlere Tochter von einer Party ab. Als sie mich fragt, was für Musik ich höre, fallen mir nur zwei Bands ein. Sie vermutet, ich höre Britney Spears und obwohl ich protestiere, wird das wohl für immer irgendwo in ihrem Gedächtnis verbleiben.
Bei eBay gucke ich mich ein wenig nach einem Handy um und finde einen australischen Händler, der das 6310i für 160 australische Dollar anbietet. Zwischendurch gibt es noch Pudding mit Reis. Von Dr. Oetker.

Um zehn Uhr fährt mich die mittlere Tochter, die, wie ich mir mittlerweile gemerkt habe, Cathleen heißt, nach Hause. Sie hat noch keinen Führerschein, sondern nur learners permit, vergleichbar ungefähr mit dem „Führerschein ab 17“ in einigen deutschen Bundesländern und so quetschen vier uns zu viert (Jerren, Berenice, Cathleen und ich) in einen der Käfer. Das mit dem Zurücksetzen sollte sie vielleicht noch einmal üben, als wir aus der Ausfahrt draußen waren, konnte man auch ohne gutes Augenmaß einen seitlichen Versatz von einem guten Meter ausmachen. Wäre sie geradeaus wieder in Richtung Haus gefahren, hätte sie zwangsläufig einen nicht unerheblichen Teil des Gartenzaunes mitgenommen.

Als wir zu Hause ankommen, öffne ich die Haustür. Grant und Charlotte sitzen auf dem Sofa und schauen Fernsehen. Die Tür hätte gar nicht offen sein sollen, wie man mir mitteilt. Anscheinend war da jemand beim Sparzierengehen mit dem Hund ein wenig vergesslich. Ich bedanke mich bei Jerren und bitte ihn auch, seiner Frau einen Dank für das Essen auszurichten.
Das Puzzle auf dem Tisch ist fertig, aber Charlotte hat noch ein neues. Rush kommt aus ihrem Zimmer und die beiden puzzeln, während ich meine E-Mails checke und Charlotte zeige, wo Jerren wohnt und was ein Käfer ist. Und dann gehts ab ins Bett


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