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der letzte Tag

Freitag, den 3. August 2007

Freitag. Der letzte volle Tag in meinem Übergangszuhause. Ich wache auf, irgendwann – gefühlt so zwischen drei und vier Uhr, weil irgendjemand auf die total abwegige Idee gekommen ist, jetzt etwas in der Küche zu machen. Fünf Minuten später ist aber wieder Ruhe und ich kann weiterschlafen.
Gegen viertel vor acht geht es wieder los. Diesmal bleibe ich wach, obwohl ich die Bettdecke über beide Ohren ziehe. Und um viertel nach acht guckt Charlotte durch die Tür, bittet mich, die Wäsche herauszuhängen, sobald diese fertig ist und dann die Waschmaschine noch einmal anzustellen. Und teilt mir mit, mein Termin mit der Schule sei doch erst Montag.
Erleichert, dass ich heute mein Handy in Empfang nehmen kann, stehe ich auf, während die anderen das Haus verlassen. Die Waschmaschine verrät mir, dass sie noch einige Minütchen für den aktuellen Waschgang braucht und ich versorge erst meinen Laptop und dann mich mit dem Nötigsten.

Unnötig zu sagen, dass ich den Vormittag über diverse Male zum Briefkasten laufe. Ebenso unnötig zu sagen, dass erst nichts darin ist und als dann etwas darin ist, nichts für mich dabei ist.

Als Rush und Jol aus der Schule kommen, überreicht mir Rush ein Päckchen: Mein Handy! Ich packe es aus und stelle fest: Joah. Ungefähr so, wie ich es erwartet habe. Bin mir nicht so ganz sicher, ob es wirklich ein neues oder nur ein erneuertes Handy ist. Und das Display sitzt ein wenig hoch im Gehäuse. Aber immerhin – ein Handy! Und ohne Simlock, meine SIM-Karte funktioniert.
Ich teste die Bluetooth- und Infrarotfunktionen und überspiele die SMS der alten SIM-Karte auf meinen PDA zwecks Archivierung.

Grant kommt von der Arbeit und führt Anger aus, während ich mir eine Dusche genehmige. Danach muss ich erst einmal das Licht im Wohnzimmer einschalten, das ist nun eindeutig notwendig geworden. Als Grant zurückkommt, sagt er, er habe Charlotte unterwegs gesehen, sie würde gerade Hühnchen und Pommes Frites zum Abendessen kaufen.
Und er hat recht, als Charlotte nach Hause kommt, hat sie genau das – und noch Fisch – mit. Wir essen, wieder nur zu dritt und jeder von uns vertreibt sich dann noch ein wenig seine Zeit, bevor wir um halb acht das Haus verlassen.

Wir fahren nach Mooroopna ins „WestSide„, ein kleines Theater. Dort führt die Wanganui Park School (beziehungsweise laut Programmheft das Wanganui Park Secondary College) das Musical „Disco Inferno“ auf. Kim und Kate sehen auch zu.
Nicht alle Witze bekomme ich mit, aber doch die meisten. Das Stück selbst und auch die Inszenierung gefallen mir. Rush und Jol spielen auch mit; Rush gehört zu einer Gruppe Tänzerinnen, Jol spielt eine Radioansagerin und ist dann Teil einer Menschenmenge.
Das Musical dauert zwei Stunden und als es dann um elf Uhr zu Ende ist, müssen wir noch warten, bis Rush und Jol ihre Kostüme abgelegt haben. Dann fahren wir nach Hause und ich gehe wenige Minuten vor Mitternacht ins Bett.

erwartungsvolles Warten

Donnerstag, den 2. August 2007

Der Tag beginnt mal wieder etwas früher. Mein Wecker steht auf acht Uhr, aber ich wache vorher auf. Nachdem um halb neun Anger seinen Kopf durch die Tür gesteckt und einige Minuten unschlüssig vor meinem Bett verweilt hat (wohl in der Annahme, ich sei Kim), stehe ich auf, als dann alle das Haus verlassen haben.

Mein Frühstück muss erst einmal warten, ich wechsele die Telstra-SIM-Karte gegen die von iSim aus. Leider hat das Handy einen Simlock und da ich nicht im Besitz des subsidy passwords bin, bleibt mir nichts übrig, als auf den Postboten zu warten, der heute hoffentlich mein neues Handy bringt.
Da man mich auf dem Handy nicht erreichen kann, rufe ich gegen kurz nach neun bei meiner neuen Gastfamilie an, um mich nach dem Termin für meine Einschulung zu erkundigen. Ich erwische die beiden im Laden (wo auch sonst um diese Uhrzeit), Berenice sagt mir, dass sie alle Unterlagen in die Schule gebracht habe und man ihr einen Termin für morgen in Aussicht gestellt habe. Man würde sie morgen wieder anrufen, wann genau und sie würde mir das dann mitteilen. Ich berichte Jerren, dass das Handy einen Simlock hat und dass ich mein neues heute erwarte. Schließlich ist es schon seit Montagmorgen in der Post und da könnte es heute so langsam mal ankommen.

Da ich aber nun heute nicht mehr außer Haus muss – und damit auch mein Plan ins Wasser fällt, die Post- und Bankfiliale in der Innenstadt Sheppartons zu besuchen -, beeile ich mich, meinen Brief an SCCE auf seinen Weg zu bringen: 15 Minuten für den Hinweg zur Post, 10 Minuten im Laden, 13 Minuten für den Rückweg. 38 Minuten mit der Hoffnung, den Postboten nicht zu verpassen. Denn der Briefkasten ist zu klein für ein Päckchen.

Vogel auf der Straße

Als ich zurückkomme, scheine ich Glück gehabt zu haben, der Briefkasten ist noch immer leer. Ich setze mich wieder an den Computer, um jede halbe Stunde aufzuspringen, um in den Briefkasten zu gucken. Denn ich warte auch noch auf meine Amateurfunkgenehmigung für Australien.

Es wird elf, zwölf, es wird eins, zwei Uhr – und noch immer ist der Kasten leer und es hat niemand geklingelt. Ich mag diese Tage nicht, an denen man das Gefühl hat, die Post würde einen vergessen.

Irgendwann gebe ich den Gedanken daran auf, dass heute noch die Post kommt. Aber vielleicht ja der Paketbote? Als um halb vier Jol durch die Tür kommt, gebe ich auch diesen Gedanken auf. Als der Paketbote das letzte Mal da war, war es ungefähr zwei Uhr.

Charlotte kommt früher als sonst von der Arbeit nach Hause, begibt sich aber sogleich in ihr Bett. Sie hat sich eine Erkältung eingefangen, die sich schon die letzten Tage bemerkbar gemacht hat.

Später kommt auch Rush nach Hause, doch schon vor dem Abendessen sind die Mädchen schon wieder verschwunden, denn wenn mich mein Gedächtnis nicht verlassen hat, ist heute der erste Aufführungstag ihrer Schulaufführung.
Also essen nur Grant und ich gemeinsam zu Abend, erst gibt es ein wenig von der Suppe, die wir schon vor einigen Tagen hatten. Und wie ich mit seiner Hilfe feststellen muss, sind nicht nur Karotten darin, sondern auch Kürbis – was den eigenwilligen Geschmack erklärt.

Abends zeichnen wir die üblichen Serien für Rush auf Kassette auf und ich schaue den Anfang von Las Vegas. Doch heute ist die Folge zum Serienstart etwas länger und dauert bis zwanzig nach zehn. Ich hingegen verabschiede mich gegen neun Uhr, um mich in mein Bett zu begeben.

a final decision

Mittwoch, den 1. August 2007

Irgendwie könnte ich mich daran gewöhnen, auszuschlafen. Mein Wecker steht auf neun Uhr und ich wache nur wenige Minuten, bevor er unbarmherzig klingelt, auf. Das Haus ist leer – diesmal wirklich leer, Jol ist auch wieder in der Schule.
Ein Geräusch ertönt, ich kann es nicht genau zuordnen – sind es die Vögel oder ist es die Türklingel, deren Ton mir noch nicht vertraut ist? Ich entscheide mich dafür, lieber einmal vorsichtshalber an der Tür zu gucken, ob nicht doch jemand davor steht. Aber dem ist nicht so und im Haus sind nur Hund und Katze, beide schlafend, wie meist um diese Zeit.
Mein Laptop findet sein Weg an die Quelle des Lebens und ich sehe mein E-Mail-Postfach durch.

Heute ist der „drei Wochen“-Stichtag. Allerdings nicht der für mein Laptop (der ohnehin nicht mehr relevant ist), sondern der für meine gesamte Aufenthaltszeit in Australien. Und in diesen drei Wochen habe ich doch eine ganze Menge Erfahrungen sammeln können. Wenngleich es auch nicht immer gute waren, es waren Erfahrungen.

Ich warte auf den Postboten, während ich mit einer Freundin aus Deutschland chatte. Zehn Uhr, nichts im Kasten. Elf Uhr, nichts im Kasten. Zwölf Uhr, nichts im Kasten. Zumindest nichts für mich. Ich lausche ein wenig deutscher Musik und höre die Aussenseiter des musikalischen Repertoires meines Laptops: Reinhard Mey und Rolf Zuckowski. Und nebenbei auch noch ein wenig Silbermond, Red Hot Chili Peppers und dazwischen immer wieder den ICQ-Sound.

Dann ruft Charlotte an und teilt mir mit, dass sich meine Umzugsplanungen ein bisschen gestrafft haben, ich werde schon am kommenden Samstag umziehen. Am Freitag wird es ein erstes Gespräch mit der Schule geben und vielleicht gehe ich schon Montag wieder zur Schule.

Im Forum von austauschschueler.de lese ich von der US CallingCard, mit der Gespräche aus Australien ins deutsche Festnetz nur 15 US-Cent pro Minute kosten anstelle von 29 Eurocent mit der CampusCard. Ich registriere mich einfach mal, denn solange man nicht telefoniert, fallen auch keine Kosten an. Und man kann ein Kostenlimit setzen, denn abgebucht wird von der Kreditkarte. Ich setze es auf zwanzig Dollar pro Monat – ich möchte mit der Karte ja keine ausführlichen Gespräche führen und bald werde ich ohnehin die meisten Gespräche per Skype abwickeln können dank Internet rund um die Uhr.

Und weil ich die Bestätigungsmail für die Registrierung für die CallingCard nicht finden kann, werfe ich einen Blick in meinen Spamordner. Und schwupps, da taucht eine E-Mail von SCCE auf. Und noch eine. Verflixt nochmal, auf die habe ich schon so lange gewartet! Und sie liegt schon seit Tagen dort, die eine ist von Freitag, die andere von Sonntag.
Andrew, der – wie ich von der arrival orientation weiß – der managing director von SCCE ist, antwortet mir am Freitag, dass noch Plätze frei seien, ich aber trotzdem keine Zeit verschwenden solle. Am Montag schickt Betty Lane, eine – wie die Website von SCCE offenbart – der Gründungsmitglieder von SCCE eine weitere E-Mail hinterher: Ich solle mich beeilen.
Da es mittlerweile Mittwoch ist und andere Austauschschüler schon ihre Buchungsbestätigung für den Queensland-Trip bekommen haben, rufe ich bei SCCE an, um mich zu erkundigen, ob noch immer Plätze frei sind. Ich werde zu Carmel durchgestellt, die Koordinatorin für den ganzen Bundesstaat Victoria ist. Sie ist derzeit ohnehin mit meinem Gastfamilienwechsel befasst (Charlotte steht in engem Kontakt mit ihr) und ich muss ihr daher nicht erklären, warum ich mich noch nicht anmelden konnte. Es seien noch immer Plätze frei, versichert sie mir, trotzdem solle ich die Anmeldung so schnell wie möglich ausfüllen. Ich versichere ihr, das werde ich tun, sobald ich mit meiner neuen Gastfamilie gesprochen habe. Schließlich ist der November die kritische Umzugszeit in eine etwaige neue Gastfamilie.

Um halb vier kommen Rush und Jol aus der Schule. Jol setzt sich als erstes an den Computer, Rush entschwindet kurz in ihr Zimmer, um dann den Fernseher zu belagern.

Als ich das Geschirr abtrockne und in den Schrank stelle, fällt mir ein, wie Charlotte mir gestern geraten hat, ich solle nicht immer nur gucken, wo für mich etwas herausspringt, sondern auch einfach einmal Spaß haben. Und mir fällt ein, dass das genau das ist, woran meine Entscheidung zwischen den beiden Trips scheitert.
Dann treffe ich eine Entscheidung, eine entgültige Entscheidung. Ich werde mit nach Queensland fahren. Central Australia ist sicherlich auch einen Besuch wert, das rote Herz Australiens mit dem Uluru, Alice Springs und Lagerfeuer unter freiem Himmel wären bestimmt unvergesslich. Das Great Barrier Reef und der Regenwald sind es aber ebenfalls – und das ganze dann noch in bekanntermaßen guter Gesellschaft, das kann nur zu einem Erlebnis werden. Ich werde heute Abend mit Charlotte sprechen und auch mit Jerren und Berenice telefonieren und wenn von den dreien keine Bedenken bezüglich der Terminplanung geäußert werden, geht meine Anmeldung morgen raus.

Ich bin müde und lege mich zu einem kleinen Mittagsschläfchen hin. Eineinhalb Stunden, dann stehe ich wieder auf. Charlotte und Grant sind zu Hause und die Mädchen sitzen vorm Fernseher und sehen die Aufzeichnungen von gestern Abend. Noch einmal E-Mails checken und dann setze ich mich ein bisschen dazu. Es hilft, die Fernsehserien zwei Mal zu sehen, weil man die Sachen dann besser versteht: Anstelle nur der Handlung fast jeden einzelnen Satz.
Rush muss in die Tanzschule, Charlotte und ich liefern sie um zehn vor sieben Uhr dort ab und fahren weiter zu Jerren. Dort liegen die Unterlagen zur Einschulung bereit, die wir zum Teil ausfüllen. Der größte Teil bleibt leer oder wird von meinen zukünftigen Gasteltern ausgefüllt.
Morgen früh wird mich Berenice anrufen, wenn sie einen Termin mit der Koordinatorin für Austauschschüler an der Schule gemacht hat. Hoffentlich ist der so spät (oder früh), dass ich den Postboten sehe, der bringt nämlich hoffentlich endlich mein Handy.

Charlotte zeigt mir auf dem Stadtplan, welchen Weg sie mir empfehlen würde für morgen. Und wo die Westpac in Shepparton ist (eine Straße vom Ladengeschäft von Jerren und Berenice entfernt). Und die Post.

Morgen werde ich mich endlich für den Trip nach Queensland anmelden, Charlotte hat das Formular vorhin unterschrieben und das Geld („$100AUD non-refundable deposit“) liegt hier auch schon bereit.
Heute Abend läuft House. Angekündigt als die Folge, in der klar wird, was passiert, wenn House einmal zu oft Gott spielt und sich irrt. Aber sie wird nur aufgezeichnet, Charlotte und Grant sehen Criminal Intent (das Ende der Staffel) und deshalb gehe ich um kurz nach neun ins Bett.

live changes … everyday

Dienstag, den 31. Juli 2007

Heute morgen höre ich die anderen aufstehen, bleibe aber noch liegen bis um viertel nach acht.
Dann gibt es wieder die übliche Morgenration Internet, erst später zwei Toasts zum Frühstück – und zwei von diesen leckeren selbstgebackenen Keksen. Was auch immer in ihnen sein mag und wie gesund es auch immer sein mag (Vielleicht ist ja Pepsi darin? Kleiner Scherz am Rande.), schmecken tun sie.
Jol kränkelt noch immer und liegt im Bett. Das Telefon klingelt einige Male, keiner von uns geht ran. Der Hund bellt und als ich ihn hinte rauslasse, läuft er in den Vorgarten und bellt ein Auto auf der Straße an. Ich rufe ihn durch die Vordertür wieder hinein und gehe zurück an den Laptop.

Einige Zeit später klingelt es an der Tür und ich gehe hin. Ein freundlicher Mann steht dort und wie ich nach kurzer Nachfrage verstehe, ist er wegen des Telefons hier. Er habe irgendetwas daran repariert und würde jetzt noch einen Test durchführen. Mmh, schön. Ich setze mich wieder an den Computer. Dann klingelt das Telefon erneut, ein Anruf von einem Handy. Diesmal gehe ich ran und es ist der Telefonmensch. Er wolle nur kurz testen, ob es auch wirklich geht und würde noch einen Zettel im Briefkasten hinterlassen.

Ich sehe nach der Post im Briefkasten. Und zum ersten Mal ist etwas für mich dabei: Meine neue SIM-Karte steckt in einem ExpressPOST-Umschlag. Ich nehme sie mit rein, packe sie aus. Auf meinem derzeitigen Konto sind allerdings noch gut zwei Dollar, die ich ungern verschenken möchte und deshalb wird die Aktivierungsprozedur wohl noch ein wenig warten müssen.

Dann nehme ich mir etwas Zeit, um einige Tagesberichte, die nur als Sprachnotizen und Erinnerungen in meinem Kopf existieren, in eine allgemein lesbare Form zu überführen.

Jol geistert durch das Haus, isst etwas und schiebt eines der Sofas zum Computer, um dann Musik zu lauschen. Rush kommt gegen halb vier nach Hause. Als sie die „Big Brother“-Aufzeichnung von gestern anguckt, realisiere ich, dass das das letzte Mal für eine lange Zeit sein wird. Denn gestern hat Alisha die aktuelle Staffel gewonnen – mit 51 Prozent der Stimmen.

Ich setze mich noch einmal für einen Moment an den Computer, schließlich beginnt in Deutschland langsam der Tag. Und erfahre, dass es andere Austauschschüler gibt, die nicht nur mit ihrem Biologiekurs an den Strand fahren, sondern auch mit dem Sportkurs ins Fittnisscenter und mit dem Entertainmentkurs ins Theater (ja, dich meine ich!). Allerdings – gar keine Schule ist natürlich auch eine interessante Alternative. Und ich muss meine Erinnerungen nicht im school diary (auch student planner genannt) aufschreiben, sondern kann sie direkt am Laptop verfassen.

Als Charlotte nach Hause kommt, erzählt sie mir, dass die Familie, bei denen wir gestern waren, mich gerne aufnehmen würde. Sie könnten aber nicht, wenn der Armbruch des Vaters ausgeheilt ist, werden sie einen Großteil der Woche in einem anderen Ort verbringen und das sei nicht die Art von Familienleben, die sie einem Austauschschüler gerne präsentieren würden.
Charlotte will mich deshalb bei Bekannten in Echuca unterbringen, bei einer Familie, die sie schon kennt, seit Kim klein war. Und Kim ist jetzt 21. Wir haben nämlich nicht mehr viel Zeit, in zwei Wochen gehts für die Familie in den Urlaub. Und weil es einige Zeit dauert, den Papierkram zu erledigen, der notwendig ist, um eine Familie zu einer Gastfamilie bei SCCE zu machen, möchte sie auch nicht mehr abwarten, bis am Donnerstag ein Aufruf in einem der Schulrundbriefe erscheint.

Grant kommt nach Hause und ich helfe ihm, das Abendessen vorzubereiten, indem ich einiges Gemüse in Scheibchenform überführe. Es gibt Nudeln und Hühnchen – mit eben diesem Gemüse.

Beim Abendessen frage ich Charlotte, ob es uns helfen würde, mehr Zeit zu haben. Und ob es helfen würde, wenn ich zunächst einige Wochen bei Jerren wohnen würde, während sie im Urlaub ist und wir eine neue Familie suchen. Das Problem sei, so Charlotte, dass ich bereits die Familie gewechselt habe und SCCE es nicht gern sähe, wenn ich in den nächsten fünf Monaten – also bis Dezember – erneut die Familie wechselte.
Ich rufe Jerren an und schildere ihm die Lage. Er sagt, sie hätten bereits darüber nachgedacht, mich aufzunehmen. Allerdings ginge das nur so lange, wie die älteste Tochter außer Hause verweilt – zum Studieren in Melbourne. Also bis November.
Ich spreche mit Charlotte und sie sagt, das sei schon in Ordnung. Wenn ich einmal bei Jerren wohnen und in der Schule wäre, würde ich Leute kennenlernen, die mich von Dezember bis April aufnehmen könnten. Und ich denke darüber nach, dass das eigentlich eine ganz gute Sache ist: Ich habe bislang für zwei Wochen das Leben auf einer Farm kennengelernt, drei Wochen werde ich bei Charlotte verbracht haben, dann einige Monate bei Jerren und einige in einer ganz anderen Familie. Das ist ungefähr das Prinzip, dass auch Rotary verfolgt und es gefällt mir, sehe ich so doch einen recht schönen Durchschnitt durch die australischen Familien in dieser Gegend.

Charlotte ruft Jerren an und spricht einige Minuten mit ihm. Dann fragt sie mich, ob ich nicht auf einen drive mitkommen wollte – ich frage: „Where to?“ und sie meint, zu Jerren. Natürlich will ich das und wir fahren dorthin. Berenice macht die Tür auf und lässt uns hinein. Ich ziehe, schon aus Gewohnheit, meine Schuhe an der Tür aus und wandele auf Socken ins Wohnzimmer.
Charlotte hat den Gastfamilien-Interviewbogen mit und auch den Fragebogen für Gastfamilien. Sie erklärt Jerren und Berenice den grundlegenden Ablauf und beantwortet ihre offenen Fragen. Cathleen spielt auf der anderen Seite der Küche einige Takte auf der Gitarre und winkt herüber.
Die beiden werden den Fragebogen heute Abend ausfüllen und morgen an Carmel, die Koordinatorin für Victoria, faxen. Auf dem Weg zur Haustür stellt Berenice noch Cathleen und Clarice vor. Charlotte fragt die beiden, ob sie auch wollten, dass ich zur Famile gehöre – sie bejahen. Und Berenice erzählt, dass die größte im Bunde gesagt habe, ich müsse umbedingt.
Ich fahre mit einem ausgesprochen guten Gefühl nach Hause. Mit einem Gefühl, in ein Haus, das schon mein zu Hause ist, bald jeden Tag einkehren zu dürfen. Und ich erzähle Charlotte, dass ich es meinem Hund verdanke, diese Gastfamilie gefunden zu haben. Denn ohne meinen Hund hätte ich niemals den Amateurfunker kennengelernt, der mir das Hobby nahegebracht hat und ohne das Hobby würde ich Jerren nicht kennen.

Wieder angekommen fülle ich mit Charlotte gemeinsam den Interviewbogen aus. Auch er wird morgen seinen Weg in das Büro von SCCE in Melbourne finden.
Morgen wird hoffentlich mein Handy ankommen. Ich frage Charlotte, wann die Post kommt und sie meint, montags und dienstags sei sie üblicherweise spät (also so gegen 14 Uhr) da, mittwochs zwischen 11 und 14 Uhr, donnerstags und freitags meist früh gegen elf Uhr.
Dann schaue ich noch einmal in mein E-Mail-Postfach und informiere meinen Vater über die aktuellen Ereignisse, während im Fernsehen NCIS läuft. Danach kommt Numb3rs – und danach mein Bett.

Kommt Zeit, kommt…

Montag, den 30. Juli 2007

„Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Familie“ – diese Überschrift dürfte einigen bekannt vorkommen. Aber vielleicht ist sie ja bald angebracht. Doch dazu später mehr.

Der Tag beginnt für mich heute um drei Minuten vor neun. Ich wache auf und überlege, wie spät es wohl sei. Im Haus ist es ruhig, ich höre nur die Heizung. Und meinen Heizlüfter, den ich angeschaltet habe, als ich zuvor kurz aufgewacht bin. Ich schließe daraus, dass es noch früh sein muss.
Als dann aber der Wecker klingelt und ich aufstehe – und merke, dass die Zimmer leer sind -, wird mir klar, dass mein Schlaf doch recht tief gewesen sein muss.

Als erste Amtshandlung an diesem Morgen, noch bevor ich über Frühstück nachdenke, versorge ich meinen Computer mit Strom und Internet. Dann versorge ich mich selbst mit Toast und Erdnussbutter, die richtig gut schmeckt, weil ich keine Butter benutze und die Toasts nach dem Auftoasten (sind sie doch aus dem Gefrierfach) auskühlen lasse.
Ich lasse die Katze in den Garten und auf der Suche nach dem Hund fällt mir auf, dass ich doch nicht allein im Haus bin, Jol liegt in Charlottes Bett und schläft. Es ist spät, ich vermute, sie ist krank.

Charlottes Katze

Den restlichen Vormittag und auch den Mittag verbringe ich am Computer. Bei eBay ersteigere ich ein Handy, das 6310i – ein Businessmodell von Nokia. Ganz ausgezeichnetes Modell, ich kenne drei Leute, die es besitzen und es in den höchsten Tönen loben. Und mit Versand (Express wohlgemerkt – aber das entspricht dem deutschen Standardversand) hier in Australien immer noch günstiger als in Deutschland ohne.

Um zwanzig vor eins vibriert mein Handy. Es ist Charlotte. Sie würde heute gegen viertel vor sechs nach Hause kommen, wir hätten nämlich um halb sieben einen Termin. Verschiedene Gastfamilien hätten sich gefunden – zwei in Echuca , eine in Shepparton und eine oder zwei weitere in Orten, deren Namen man erst auswendiglernen muss. Heute Abend würden wir der Familie hier in Shepparton einen Besuch abstatten.
Und sie spricht noch mit Jol und fragt, ob sie zu dem Vorbereitungstreffen für die Schulaufführung geht.

Als lunch ist heute Karottensuppe mit Brot (etwas dunkleres Toast) im Angebot. Das Brot im Toaster aufgewärmt und anschließend im Kühlschrank auf die richtige Temperatur gebracht. Ökonomischer Unsinn und Ressourcenverschwendung, aber halt bequem.

Ich hänge Wäsche auf die Leine und räume das Geschirr in den Schrank. Dann kommt Rush nach Hause und ich räume meinen Laptop weg. Ich gönne mir ein Nickerchen.
Als ich wieder aufwache, möchte mir Rush auf YouTube den Anfang von Las Vegas zeigen. Die ersten zehn Minuten hat dort jemand online gestellt, die Serie selbst startet in ein paar Tagen. Oder kommt vielmehr zurück.
Um halb sechs werden die beiden zu einer Probe für die Schulaufführung abgeholt. Und ich merke, wie ich langsam mit der Dusche besser zurechtkomme: Ich merke mir die Positionen für die zwei Hähne.
Im Fernsehen sehe ich in den Nachrichten, dass es doch einige Leute gibt, die Weihnachten im Juli feiern. Kuriose Sache, die auch in der englischen Wikipedia nachzulesen ist.

Dann kommt Charlotte nach Hause und wir fahren zu der potentiellen Gastfamilie hier in Shepparton. Das erste, was ich im Wohnzimmer bemerke, ist der Laptop auf dem Tisch. Er heißt Allan und hat zwei Töchter (5 und 8 Jahre), sie heißt Michelle. Der Sohn der beiden geht in die 8. Klasse. Es ist warm im Haus und draußen bellt ein Hund. Ich wäre der erste Austauschschüler in der Familie. Allan ist übrigens Feuerwehrmann. Charlotte und ich führen ein ausführliches Gespräch mit der Familie und die beiden behalten den Fragebogen für Gastfamilien da, um ihn über Nacht auszufüllen. Die beiden werden eine Nacht über die Entscheidung schlafen und sich dann wieder bei Charlotte melden.

Auf dem Weg zurück frage ich Charlotte, ob einer der beiden raucht. Michelle würde rauchen, sagt sie. Aber wir haben beide im Haus nichts gerochen. Klingt noch so gerade akzeptabel, auch wenn ich mich innerlich irgendwo dagegen sträube.
Zu Hause gehe ich noch einmal in ICQ online und genieße ein wenig Mousse au Chocolat. Charlotte friert noch ein wenig Hack aus. Und als ich um zehn nach neun Big Brother nicht mehr sehen kann, gehe ich ins Bett.


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