Die eigentliche Reise im Ghan ist vor allem erst einmal eines: Aufregend. (Ich habe mich übrigens bewusst diesen Wortes … bedient.)
Bis sich der Zug in Bewegung setzt, dauert es noch ein klein wenig. Eine willkommene Gelegenheit, sich ein wenig häuslich einzurichten. Das ist auch mehr als ratsam in Anbetracht des kommenden Tages, dem wir gespannt entgegensehen. Und während dessen niemand den Zug verlassen wird.
Die erwähnenswerteste Sache im ganzen Abteil ist aber wohl doch die Klimaanlage. Die letzten Tage sind vor allem durch ihre hohen Temperaturen aufgefallen (sie waren der Hochpunkt einer Hitzewelle von über einer Woche Dauer, während derer die Stadt keine Möglichkeit hatte, sich wieder abzukühlen). Jetzt aber verbreitet sich eine angenehme Frische, nachdem die Türen geschlossen sind.
Das Abteil ist vollgestopft mit Sitzplätzen. Wer schonmal mit einer Fokker 50 oder einem Bombardier von Canadair geflogen ist, stelle sich eine Kreuzung aus dieser Maschine und einem Großraumabteil der Deutschen Bahn vor. Farblich sind die Sitze abgestimmt auf das zu erwartende rote Outback.
Neben den obligatorischen Toiletten gibt es vor allem auch die Möglichkeit zu duschen. Das ist eine interessante Erfahrung, ungefähr vergleichbar mit einer Dusche an Bord eines Schiffes. Ob sie deshalb so klein ist, damit man sich an den Wänden abstützen kann, werde ich wohl nie erfahren. Vor allem aber hat sie eine Steckdose in dem Bereich, der – vom Duschvorhang geschützt – eigentlich trocken bleiben soll. Geradezu prädestiniert dafür, mal eben duschen zu gehen, wenn der Kameraakku aussetzt, nicht?
Im nächsten Waggon gibt es ein paar Sitzplätze. Sozusagen ein Speisewagen, nur dass ich nicht ausmachen kann, ob irgendjemand dort je einmal etwas serviert hat. Bezeichnend sind aber all die Deutschen, die wie die Fliegen überall herumschwirren. Man hat das Gefühl, an einem der größeren Bahnhöfe Deutschlands zu sitzen, wo die englischen Ansagen den Gesamteindruck um einen Hauch von Pseudo-Internationalität ergänzen.
Es verlässt dann übrigens doch jemand den Zug. Wir halten nämlich noch einmal und haben dabei die Möglichkeit, auszusteigen. Zeit für ein Foto, aber auch nicht für viel mehr. Denn die Hitze ist doch recht überwältigend, nachdem die Klimaanlage so angenehm war.
Irgendwann entscheidet sich das Bordpersonal, einen Reiseführer von CD abzuspielen. Eigentlich ist der ganz interessant, aber nur mit Musik in den Ohren die Aussicht zu genießen, ziehe ich irgendwann dann doch vor. Oder aber ein Gespräch mit meiner Sitznachbarin.
Nach einigen Stunden heißt es dann: Gleich kommt das letzte Haus, wir verlassen den bewohnten Bereich. Was dann folgt, wird immer eintöniger und doch stetig interessanter: Das Outback (schöne Fotos auch in der englischen Wikipedia) präsentiert sich in seiner ganzen Schönheit.
Und mit Lesen, Musikhören, Essen, Reden und Fotografieren vertreibe ich mir die Zeit, bis es langsam dunkler wurde. Der Sonnenuntergang, den ich an diesem Abend sehe, gehört wohl zu den schönsten, die ich je sehen durfte. Leider ist es unmöglich, ihn aus dem Zug heraus mit der Kamera einzufangen und so bleiben der Nachwelt wohl nur die recht ordinären Fotos eines trotzdem bemerkenswerten Wechsel des Tages zur Nacht.
Und dann ist sie weg, die Sonne. Über uns breitet sich der Sternenhimmel aus und überrascht mit einer Vielfalt von kleinen leuchtenden Punkten, wie ich sie noch nie vorher gesehen habe. So etwas funktioniert wohl nur im abgedunkelten Zug ganz weit draußen.
Draußen, wo vorher noch über 40 Grad herrschten, wird es auf einmal kälter. Auf dem silbernen Zug kann man wohl nur noch das Essen vom Vortag aufwärmen, aber keine Spiegeleier mehr braten. Einzig und allein die Klimaanlage hat davon wenig mitbekommen und ist noch immer der Meinung, dass sie die Menschen vor dem sicheren Tod durch Verglühen schützen muss. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich friere mir sämtliche Gliedmaßen ab. Nachts wache ich sogar auf, weil mir so kalt ist. Mit Pullover und Decke geht es dann letztendlich ein wenig besser und es sind ja auch nur noch ein paar (Vorsicht, hier spricht ein Australier!) Stunden bis zur Ankunft.
Als wir die Staatengrenzen zwischen South Australia und dem Northern Territory überfahren – irgendwann nachts, als alle schlafen – wird uns auf einmal eine Stunde geschenkt. Zuvor galt noch die Sommerzeit, die es aber in einigen Staaten Australiens nicht gibt. Die Uhren sind aber längst umgestellt, noch vorm Einschlafen hat man uns dazu aufgefordert.
Fast übertrifft der Sonnenaufgang den -untergang, aber nur fast. Trotzdem sind die Farben schier unbegreiflich und der unendliche Himmel strahlt in den verschiedensten Tönen. Er stimmt uns ein auf die Ankunft in Alice Springs einige Stunden später, diesmal knapp unter der 40-Grad-Marke. Und nach nur läppischen 25 Stunden und 25 Minuten Zugfahrt.
(mehr Fotos gibt es in einem Fotospecial)