Kommt Zeit, kommt…

Montag, den 30. Juli 2007

„Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Familie“ – diese Überschrift dürfte einigen bekannt vorkommen. Aber vielleicht ist sie ja bald angebracht. Doch dazu später mehr.

Der Tag beginnt für mich heute um drei Minuten vor neun. Ich wache auf und überlege, wie spät es wohl sei. Im Haus ist es ruhig, ich höre nur die Heizung. Und meinen Heizlüfter, den ich angeschaltet habe, als ich zuvor kurz aufgewacht bin. Ich schließe daraus, dass es noch früh sein muss.
Als dann aber der Wecker klingelt und ich aufstehe – und merke, dass die Zimmer leer sind -, wird mir klar, dass mein Schlaf doch recht tief gewesen sein muss.

Als erste Amtshandlung an diesem Morgen, noch bevor ich über Frühstück nachdenke, versorge ich meinen Computer mit Strom und Internet. Dann versorge ich mich selbst mit Toast und Erdnussbutter, die richtig gut schmeckt, weil ich keine Butter benutze und die Toasts nach dem Auftoasten (sind sie doch aus dem Gefrierfach) auskühlen lasse.
Ich lasse die Katze in den Garten und auf der Suche nach dem Hund fällt mir auf, dass ich doch nicht allein im Haus bin, Jol liegt in Charlottes Bett und schläft. Es ist spät, ich vermute, sie ist krank.

Charlottes Katze

Den restlichen Vormittag und auch den Mittag verbringe ich am Computer. Bei eBay ersteigere ich ein Handy, das 6310i – ein Businessmodell von Nokia. Ganz ausgezeichnetes Modell, ich kenne drei Leute, die es besitzen und es in den höchsten Tönen loben. Und mit Versand (Express wohlgemerkt – aber das entspricht dem deutschen Standardversand) hier in Australien immer noch günstiger als in Deutschland ohne.

Um zwanzig vor eins vibriert mein Handy. Es ist Charlotte. Sie würde heute gegen viertel vor sechs nach Hause kommen, wir hätten nämlich um halb sieben einen Termin. Verschiedene Gastfamilien hätten sich gefunden – zwei in Echuca , eine in Shepparton und eine oder zwei weitere in Orten, deren Namen man erst auswendiglernen muss. Heute Abend würden wir der Familie hier in Shepparton einen Besuch abstatten.
Und sie spricht noch mit Jol und fragt, ob sie zu dem Vorbereitungstreffen für die Schulaufführung geht.

Als lunch ist heute Karottensuppe mit Brot (etwas dunkleres Toast) im Angebot. Das Brot im Toaster aufgewärmt und anschließend im Kühlschrank auf die richtige Temperatur gebracht. Ökonomischer Unsinn und Ressourcenverschwendung, aber halt bequem.

Ich hänge Wäsche auf die Leine und räume das Geschirr in den Schrank. Dann kommt Rush nach Hause und ich räume meinen Laptop weg. Ich gönne mir ein Nickerchen.
Als ich wieder aufwache, möchte mir Rush auf YouTube den Anfang von Las Vegas zeigen. Die ersten zehn Minuten hat dort jemand online gestellt, die Serie selbst startet in ein paar Tagen. Oder kommt vielmehr zurück.
Um halb sechs werden die beiden zu einer Probe für die Schulaufführung abgeholt. Und ich merke, wie ich langsam mit der Dusche besser zurechtkomme: Ich merke mir die Positionen für die zwei Hähne.
Im Fernsehen sehe ich in den Nachrichten, dass es doch einige Leute gibt, die Weihnachten im Juli feiern. Kuriose Sache, die auch in der englischen Wikipedia nachzulesen ist.

Dann kommt Charlotte nach Hause und wir fahren zu der potentiellen Gastfamilie hier in Shepparton. Das erste, was ich im Wohnzimmer bemerke, ist der Laptop auf dem Tisch. Er heißt Allan und hat zwei Töchter (5 und 8 Jahre), sie heißt Michelle. Der Sohn der beiden geht in die 8. Klasse. Es ist warm im Haus und draußen bellt ein Hund. Ich wäre der erste Austauschschüler in der Familie. Allan ist übrigens Feuerwehrmann. Charlotte und ich führen ein ausführliches Gespräch mit der Familie und die beiden behalten den Fragebogen für Gastfamilien da, um ihn über Nacht auszufüllen. Die beiden werden eine Nacht über die Entscheidung schlafen und sich dann wieder bei Charlotte melden.

Auf dem Weg zurück frage ich Charlotte, ob einer der beiden raucht. Michelle würde rauchen, sagt sie. Aber wir haben beide im Haus nichts gerochen. Klingt noch so gerade akzeptabel, auch wenn ich mich innerlich irgendwo dagegen sträube.
Zu Hause gehe ich noch einmal in ICQ online und genieße ein wenig Mousse au Chocolat. Charlotte friert noch ein wenig Hack aus. Und als ich um zehn nach neun Big Brother nicht mehr sehen kann, gehe ich ins Bett.

Reallife-QSO

Samstag, den 28. Juli 2007

Heute geht es früh(er) raus: Um acht Uhr stehe ich auf, damit Charlotte mich auch rechtzeitig um neun zu Jerren, dem Funkamateur fahren kann.
Als ich frühstücke teilt mir Charlotte allerdings mit, dass sie Grant zur Arbeit fahren müsse. Dann würde sie noch exercises machen und mich im Anschluss aufpicken. Mir ist noch nicht so ganz klar, was genau ich darunter zu verstehen habe. Ich weiß aber, was es für mich bedeutet: Ein wenig Computer, bis sie wiederkommt. Ich lese auf der Website des lokalen Amateurfunkortsverbandes, dass jeden Sonntag um halb acht Uhr abends der Rundspruch der WIA verlesen wird und montags um die selbe Zeit die Amateurfunk newsline aus den USA. Und aus meiner Heimat erfahre ich, dass das Relais DB0OSN in Osnabrück über eine Echolink-Anbindung verfügt. Klingt nach einem Draht nach Hause.
Dann versorgt mich Rush noch mit etwas Musik und als Charlotte wieder zu Hause ist, gestalte ich für sie einen Flyer, der nach einer Gastfamilie für mich suchen soll. Gegen 10 Uhr möchte sie wieder los, wir fahren allerdings zunächst zur Bibliothek, wo Charlotte (verflixt viele) Kopien des Flyers macht, dann fährt sie mich zu Jerren.
Von seiner Arbeit weiß ich nur, dass er gegenüber von McDonalds und der Feuerwehr arbeitet. Die Straße finden wir sofort und nachdem auch unser Auto einen Platz hat, suchen wir die Hausnummer. Ich erwarte irgendetwas alltägliches. Einen Elektronikladen, was auch immer. Aber keinen Juwellier.
Rush und Jol bleiben im vorderen Bereich des Ladens (Charlotte hegt Zweifel daran, dass sonst alles heile bliebe), während Charlotte noch ein wenig Smalltalk mit Jerren hält und ihm einen der Flyer überreicht. Dann geht sie wieder und lässt mich mit Jerren alleine; er wird mich später zu Hause absetzen. Nicht ganz alleine allerdings, seine älteste Tochter sitzt im hinteren Bereich des Ladens und erledigt Mathematik- und Chemiehausaufgaben. Viertel vor elf. Jerren zeigt mir ein Funkgerät, dass er im Laden stehen hat. CB-Funk, um eine einfache Verbindung in sein Haus zu haben.
Später kommt seine Frau vorbei, Berenice. Gegen 14 Uhr schließen die beiden den Laden. Ein wenig später als erwartet, denn im Moment wird gerade das Schaufenster umgebaut und solange die Werkzeuge im vorderen Bereich des Ladens stehen, kann das Gitter nicht heruntergelassen werden. Jerren und Berenice räumen die Auslagen in den Tresor, während ich mit den beiden anderen Töchtern etwas zu Trinken für das Mittagessen einkaufe. Die jüngere ist im achten Jahrgang, die ältere studiert in Melbourne und ist nur diesen Tag da; sie fährt morgen um sechs Uhr zurück.
Als wir auf den Parkplatz kommen, gibt es eine kleine Überraschung: Sie fährt einen Käfer. Es ist schon komisch; wir schreiben das Jahr 2007, ich bin am anderen Ende der Welt und – ich fahre zum ersten Mal in einem Käfer…
Im Supermarkt fragen mich die drei, wie man „Ferrero Küsschen“ ausspricht und weder ich noch mein Wörterbuch wissen die Übersetzung für Verniedlichungsform oder Verkleinerungsform. Wir holen noch ein Video aus der Videothek – für 50 Cent…

Dann fahren wir zu Jerren nach Hause, es ist ein anderes als das, was ich vor ein paar Tagen als das vermutliche Heim Jerrens ausgemacht habe. Und dort steht ein weiterer Käfer. Und eine Motorhaube auf einem Anhänger, die eine Beule bekommt, als der Haustürschlüssel auf ihr landet. Aber das macht nichts, schließlich hat diese Motorhaube schon schlimmeres erlebt; die älteste der drei hatte vor einiger Zeit einen Disput mit irgendetwas, was augenscheinlich stärker war als ihr Auto.

Auf dem Dach sind so einige Antennen, soweit ich das in der langsam einsetzenden Dämmerungen ausmachen kann. Wir gehen ins Haus und gucken den Film Hot Fuzz, den wir auf dem Nachhauseweg noch aus der Videothek mitgebracht haben. Das Haus ist groß und warm, obgleich mir keine Heizungen auffallen (vielleicht eine Fußbodenheizung?). Mir ist nicht kalt, obwohl ich nur Socken trage.
Nur wenige Minuten später kommen Jerren und seine Frau nach Hause und bringen Pizza mit. Interessante Geschmacksrichtungen, eine ist mir absolut unbekannt, auf einer anderen Pizza kann ich zumindest den Schinken identifieren. Um fünf schickt mir Charlotte eine SMS: „R u coming home for t“ und ich antworte ihr, dass ich gerne noch etwas bleiben würde – „Ok, just b home before midnight if u need a ride give me a ring“. Das ist doch mal nett.

Als der Film zu Ende ist, zeigt mir Jerren seinen Shack, vollgestopft mit Transceivern und blinkenden Routern (inklusive Wireless-LAN). Und er hat mir Informationen über einen günstigen Internetzugang und über den Mobilfunkprovider iSIM, der deutlich günstiger ist als Telstra.
Und er zeigt mir einige Fotos, unter anderem von Pferden, die unweit von Charlottes Haus auf einer Weide stehen. Dann bittet er mich nach draußen und zeigt mir, was in der Garage steht: Noch ein deutsches Auto, ein BMW. Faszinierend. Ach – und ganz nebenbei: Das Waschbecken im Bad ziert nur ein Hahn anstelle von zweien.
Die Techniksession unterbreche ich für einige Minuten, um mit den Mädchen Tischtennis zu spielen und mich mit der ältesten von ihnen über Fernsehserien zu unterhalten. Und ich hole mit ihr die mittlere Tochter von einer Party ab. Als sie mich fragt, was für Musik ich höre, fallen mir nur zwei Bands ein. Sie vermutet, ich höre Britney Spears und obwohl ich protestiere, wird das wohl für immer irgendwo in ihrem Gedächtnis verbleiben.
Bei eBay gucke ich mich ein wenig nach einem Handy um und finde einen australischen Händler, der das 6310i für 160 australische Dollar anbietet. Zwischendurch gibt es noch Pudding mit Reis. Von Dr. Oetker.

Um zehn Uhr fährt mich die mittlere Tochter, die, wie ich mir mittlerweile gemerkt habe, Cathleen heißt, nach Hause. Sie hat noch keinen Führerschein, sondern nur learners permit, vergleichbar ungefähr mit dem „Führerschein ab 17“ in einigen deutschen Bundesländern und so quetschen vier uns zu viert (Jerren, Berenice, Cathleen und ich) in einen der Käfer. Das mit dem Zurücksetzen sollte sie vielleicht noch einmal üben, als wir aus der Ausfahrt draußen waren, konnte man auch ohne gutes Augenmaß einen seitlichen Versatz von einem guten Meter ausmachen. Wäre sie geradeaus wieder in Richtung Haus gefahren, hätte sie zwangsläufig einen nicht unerheblichen Teil des Gartenzaunes mitgenommen.

Als wir zu Hause ankommen, öffne ich die Haustür. Grant und Charlotte sitzen auf dem Sofa und schauen Fernsehen. Die Tür hätte gar nicht offen sein sollen, wie man mir mitteilt. Anscheinend war da jemand beim Sparzierengehen mit dem Hund ein wenig vergesslich. Ich bedanke mich bei Jerren und bitte ihn auch, seiner Frau einen Dank für das Essen auszurichten.
Das Puzzle auf dem Tisch ist fertig, aber Charlotte hat noch ein neues. Rush kommt aus ihrem Zimmer und die beiden puzzeln, während ich meine E-Mails checke und Charlotte zeige, wo Jerren wohnt und was ein Käfer ist. Und dann gehts ab ins Bett

mashies

Montag, den 23. Juli 2007

Früh aufstehen ist immer relativ. Heute ist zwanzig nach sieben früh. Ich esse Haferflocken mit Milch und Honig zum Frühstück, Charlotte macht die Schulbrote für die Mädchen fertig und auch eines für mich. Mit Avocado.
Um acht Uhr fahren wir zu Kim, Kate und den „boys“. Kate macht die Tür auf, gerade irgendwo zwischen Bett, Bad und breakfest. Den Vormittag verbringe ich mit dem Lesen der ersten 15 Seiten von „Tomorrow – When the War Began“ von John Marsden und dann, als alle den Weg aus dem Bett gefunden haben, zusammen mit den anderen vorm Fernseher. Das Fernsehen geht zwar noch nicht, aber wir haben eine Menge DVDs im Haus. Kim hingegen scheint nicht da zu sein.
Wir gucken ‚Flush Away‚, einen Animationsfilm. Interessante Story, ein bisschen an ‚Findet Nemo‘ erinnernd. Gute Musik, ganz akzeptable Story und Dialoge. Wenn man das in einem Animationsfilm, dessen Hauptdarsteller Mäuse und Ratten sind, überhaupt so nennen kann. Später folgt dann der Anfang von Staffel 1 von Gilmore Girls. Interessante Stimmen, wie ich wieder einmal bemerke. Aber die Synchronstimmen haben es mir ein bisschen mehr angetan. Vielleicht ja, weil ich sie voll und ganz verstehen kann.
Als mit der Zeit alle etwas hungrig werden und auch mein Lunchpaket – inklusive der Apfelsine und des Müsliriegels -, machen wir uns auf, etwas essbares zu finden. Bei McDonalds. $2,00 für einen Cheeseburger (ungefähr 1,25 Euro, die könnten ruhig mal etwas vergleichbares zu den 1-Euro-Burgern einführen). Und bei KFC. Ich habe noch nie zuvor mashies gegessen, aber sie schmecken gut, ein bisschen wie Kroketten, nur anders gewürzt.
Die boys versuchen Feuer im Garten zu machen, während wir essen. Dann guckt Kate weiter Girlmore Girls, einer der boys und ich folgen ihr.
Als wir ans Ende der zweiten DVD kommen und die anderen beiden wieder aufgewacht sind, wechseln wir zu ‚American Dad!‚.
Charlotte holt mich nach der Arbeit ab und gerade als wir fahren, kommt uns Kim im Auto entgegen.
Morgen wird mich Charlotte zur Arbeit mitnehmen, ich könne unterwegs gut Landschaftsfotos machen. Mir ist noch noch nicht ganz klar, wie das zu ihrer Arbeit in einer Bibliothek passt.
Als wir nach Hause kommen, guckt Rush gerade Fernsehen, Jol ist in ihrem Zimmer und liest Harry Potter. Zum Abendessen gibt es Hühnchen (jetzt schon das zweite Mal heute!), Kartoffelbrei und Gemüse. Während alldessen läuft der Fernseher und zumindest Rush guckt, auf der Couch sitzend, während des Essens zu.
Danach machen Grant und Charlotte ihre eigenen Chips – so ähnlich wie Tortillias. Schmecken gar nicht mal so schlecht. Und im Fernsehen kommt Big Brother. Jerren klingelt mich an, aber ich bin nicht schnell genug in meinem Zimmer, um das Gespräch anzunehmen. Ich werde ihm morgen SMSen – oder, wie es hier heißen müsste, texten -, denn ich habe heute von meinem 1-ct-pro-SMS-zu-Telstra-Angebot zu einem anderen gewechselt, dass mir erlaubt, für einen Dollar bis zu 20 SMS zu verschicken, was übrig bleibt, verfällt aber jeden Tag. Vielleicht wechsele ich aber auch zu einem anderen Provider, wir werden sehen. Jerren wird da wohl ein bisschen Ahnung von haben.
Gegen halb neun gehe ich ins Bett, zum ersten Mal in einem so warmen Raum, dass ich für einen Moment die Bettdecke zur Seite schlage – und das, obwohl ich vorhin gelüftet habe.

(Um)Zug (um) um Zug

Samstag, den 21. Juli 2007

Der erste volle Tag im neuen Heim. Und ein Samstag. Ich wache früh auf, ganz in gewohnter Marnier. Doch ich versuche wieder einzuschlafen, wieder und wieder – bis auch die anderen aufgestanden sind. Um neun Uhr stehe ich auf. Freiwillig!
Zum Frühstück gibt es für mich heute Cornflakes. Rush guckt Fernsehen, dann fahren wir einkaufen. Sie und Jol brauchen für eine Schulaufführung noch einiges zum Anziehen. Wir fahren an meiner vermutlich zukünftigen Schule vorbei in das mir bekannte Einkaufszentrum und zu BigW. Und wir besorgen mir eine SIM-Karte, ein Handy kann Charlotte mir leihen. Während Charlotte und die Mädchen beim Bäcker anstehen, gucke ich in der Drogerie vorbei, um mir einen groben Überblick über Sortiment und Preise zu verschaffen. Dann schaut Charlotte noch in einem der Eintritt-nur-ab-18-Jahren-Geschäfte vorbei (nein, nicht was ihr denkt, sie kauft Wein) und wir begeben uns in die Einkaufszone Sheppartons.
Dort kauft sich Charlotte etwas heißes zu trinken und ich mir einen choc ice donut, der – bis auf die festen Schokoladenguss – wie ein Berliner schmeckt. In einem Second-Hand-Laden mit allerlei Krimskrams erstehen wir ein Kopfkissen (pillow) für mich. Rush möchte nämlich keines ihrer fünf abgeben. Mittags geht es kulinarisch weiter mit einem Hotdog (diesmal mit richtigen Würstchen!) und einem Vanilleshake, das komisch schmeckt.

Wir schauen bei Charlottes Tochter Kim und ihrer quasi-Tochter Kate vorbei, die vorhaben, heute umzuziehen. Allerdings wird dieses Vorhaben noch warten müssen, bis sie wirklich wach sind. Wir fahren also erst einmal wieder nach Hause, um später noch einmal vorbeizusehen.

Als wir nach Hause gekommen, möchte ich die SIM-Karte aktivieren. Charlotte meint allerdings, dass in der Anleitung steht, dass dafür das Telefon vollständig geladen sein soll – und ich solle doch so lange warten.
Ich setze mich aufs Sofa und lese ein wenig, bis wir wieder losfahren in unserer Mission als Umzugshelfer. Mittlerweile ist dort etwas mehr Leben eingekehrt und neben Kim und Kate sind auch noch einige Jungs (einer ist stark genug, mal eben den mit dem Kühlschrank und anderem Krams beladenen Trailer hochzuheben und umzusetzen) zum Helfen angerückt. Und ein kleines Kind, schätzungsweise drei oder vier Jahre alt. Wir schleppen all die Sachen erst aus dem Haus in die Autos (Kleinbus und Auto mit Anhänger) und dann, eine kurze Autofahrt später, in das neue Haus. Ein recht großes Haus, vier Zimmer und Wohnzimmer (von Kim gleich als lounge betitelt) – und eine recht großzügige Küche. Den Kühlschrank angeschlossen und einen Blick in den Garten – mit Gartenhaus, Wäschespinne, Obstbäumen, Basketballkorb und Basketball mit zu wenig Luft – geworfen und dann fahren wir wieder nach Hause.

Abends gibt es Hühnchen. Und Gemüse. Einige SMS und dann ein wenig Schlaf. Vielleicht kann ich mich ja morgen früh an einen schönen Traum erinnern?

ein Schritt zum Internet

Samstag, den 14. Juli 2007

Nachts um zwanzig nach zwei, nach 6 Stunden Schlaf wache ich auf. Mir ist ein wenig kalt, aber nicht mehr so kalt wie zuvor, seitdem ich jetzt noch mit einer Wolldecke schlafe. Ich höre irgendjemanden durchs Haus geistern und schlafe wieder ein.
Gegen 6 Uhr wache ich noch einmal auf. Wie ich später erfahre, geht Jill mit ihrer Nichte und ihrem Neffen zum Melken und Kühe füttern. Ich stehe um kurz vor acht Uhr auf und genieße wieder einmal eine warme Dusche. Überwiegend warme Dusche. Meist warme Dusche. Eine Dusche halt. Eine Dusche, die einen Hahn für Warmwasser und einen für kaltes besitzt. Eine Dusche, deren Wassertemperatur sich allerdings die meiste Zeit danach richtet, ob gerade heißes Wasser von dem (übrigens draußen stehenden) Boiler angeliefert wird und die daher beständig zwischen heiß und kalt wechselt. Und eine Dusche, die man nicht abstellen kann, ohne die Temperatureinstellung zu verlieren. Das ganze in einem Badezimmer fast noch kälter als das restliche Haus. Das Ding, was ich bislang für eine kaputte Leuchtstoffröhrenhalterung gehalten habe und was sich nun als Wärmestrahler entpuppt hat, ist nämlich bislang immer ausgeschaltet gewesen. Noch bin ich damit beschäftigt, herauszufinden, wie man all das mit „Nothing is better or worse, it’s different.“ vereinen kann. Ich werde mich wieder melden, wenn ich es herausgefunden habe.

Um halb neun komme ich an den Frühstückstisch, alle anderen sind bereits fertig. Stuart meint, es sei ja schon fast Nachmittag. Ich esse unbeirrt eine Schale Müsli und auf einmal stoßen Jill und er dazu. Als ich fertig bin, isst Jill noch immer. Ihr Mahl wird jedoch jäh unterbrochen, schuld ist ein Kalb. Oder die Kuh. Oder auch beide. Das Kalb steckt in der Kuh und möchte gerne raus, aber kann nicht. Stuart und Jill versuchen, bei der Geburt behilflich zu sein, aber es klappt nicht. So entschließen sie sich, den Tierarzt zu rufen.
Jills Schwester, deren Mann und Kinder verabschieden sich nun. Morgen sind sie auf einem sechzigsten Geburtstag eingeladen, am Montag beginnt die Schule wieder und sie haben einige Kilometer vor sich.
Wir setzen uns noch ein wenig in die Küche, umgeben von nur noch zwei Hunden. Gegen zwanzig vor Elf kommt der Tierarzt oder vielmehr eine Tierärztin und eine geschätzte knappe halbe Stunde später ist das Kalb, wo es hingehört: Draußen.

Kuh und Kalb

das Kalb ist draußen

Jill säubert seine Atemwege, dann leckt die Mutter es trocken. Ihm werden in den nächsten Tagen und Wochen noch viele folgen.

Kuh und Kalb

Kalb

Dann hole ich Holz für den Kamin. Eines der Stücke zeigt sich doch etwas sehr widerspenstig und ich brauche beinahe zehn Minuten, um ihm Herr zu werden.

Holz

Wieder im Haus, gibt es erst einmal ein Mittagessen, heute ist das Vernichten der Reste angesagt, also freie Auswahl. Ich gucke mir zum ersten Mal meine Spanischbücher näher an und bin doch etwas frustriert darüber, dass das mit der Aussprache schwierig werden könnte… Stuart sieht ein Footballspiel und ich nicke darüber ein, während Jill die Wäsche wäscht. Nebenbei: Eine sehr interessante Sache – die Waschmaschine hat die Einstellungen „cold“, „warm“ und „hot“ und Jill wäscht auf „cold“.
Als ich wieder aufwache, schicken sich Stuart und Jill gerade an, die Kühe zu melken. Ich bleibe noch ein wenig im Haus und versuche noch einmal, meinen Funkfreund zu erreichen. Heute habe ich Glück und erwische ihn unter seiner Handynummer. Er wird mir behilflich sein in Sachen Internet und Handy und zunächst für mich einen günstigen Internetprovider recherchieren. Am Samstag würde er auch einmal vorbeikommen oder mit mir nach Shepparton fahren, um ein Prepaid-Handy zu besorgen. Das sind doch ganz gute Aussichten.
Nach dem Telefongespräch folge ich den beiden nach draußen und füttere dann erst die einzelnen Kälber und dann die Herde selbiger.

Kalb

Das Futter kommt heute nicht wie gestern aus dem Eimer, sondern direkt aus dem Silo. Und ich kriege einen ersten Crashkurs in Sachen Melken.

Melkstand

Mittlerweile habe ich auch die Schokoladenregel verstanden. Ich habe nämlich ein Stück der Schokolade probiert und herausgefunden, dass sie so kakaohaltig ist, dass Jill mit „one chocolate“ höchstwahrschenlich ein Stück meinte.
Die Gebühren für mein Amateurfunkrufzeichen hier in Australien werde ich wohl am Besten als Scheck oder Zahlungsanweisung an den Mann, oder vielmehr an die Fernmeldebehörde, bringen. Überweisungen seien recht teuer, meint Jill.
Während des Essen fällt mir zum wiederholten Male die Bezeichnung „salt reduced“ auf der Butter auf und ich finde es immer noch erstaunlich, dass die offensichtlich gut gesalzene Butter schon reduziert ist. Mein Bedarf, die normal gesalzene Butter zu essen, ist dementsprechend gering.
Im Anschluss an das Essen spreche ich noch mit meinen Gasteltern über Dinge wie EF, meine SCCE-Betreuerin und meine häuslichen Aufgaben. Ich werde (fast wie zu Hause) für das Altpapier zuständig sein – mit dem Unterschied, dass in die Altpapiertonne hier auch Papier, Pappe, Glas, Dosen, Plastik hineinkommen – einfach alles. Das könnte man in Deutschland ruhig auch mal einführen. Außerdem werde ich mich weiterhin um das Holz kümmern. Ist ja auch irgendwie in meinem Interesse, das es warm bleibt hier drinnen. Außerdem sprechen wir noch über die Familie, die mich morgen nach Melbourne mitnehmen wird und auch einen Austauschschüler hat (oder vielmehr eine Austauschschülerin, auch über STEP IN/SCCE), und über die Nachbarn. Wobei Nachbarn ein recht großes Wort ist hier in Australien. Sie wohnen meist nur einen Block entfernt, aber das ist mal eben eine Meile.
Ich plaudere noch ein wenig mit Jill, sie zeigt mir ein Fotoalbum der vorhergehenden Austauschschülerin, während Stuart sich schon dem Fernsehen widmet. Als ich mich anschicke, ins Bett zu gehen, schickt sich eines der Kälber an, geboren zu werden und eine Fernsehsession wird zwangsläufig unterbrochen.
Als beide von draußen zurück sind und vorm Fernseher sitzen, gehe ich zu Bett. Mein Wecker wird um viertel vor sechs klingeln, morgen ist die „arrival orientation“ in Melbourne und um zwanzig vor sieben ist Abfahrt in Richtung Shepparton.


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